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Geliebter, betrogener Mann

Geliebter, betrogener Mann

Titel: Geliebter, betrogener Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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trabten die drei dem Professor nach in dessen Privaträume. Die Hebamme, die ihnen entgegenkam, lachte und schüttelte wieder den Kopf. Vor allem Dechant Bader sah sie lange und groß an, und der bärenhafte Priester wurde rot und senkte schuldbewußt den Kopf.
    »So«, sagte Professor Kanoldt und reichte in seinem Zimmer ein Tablettenröhrchen herum. »Chlorophyll-Tabletten, zwei Stück. Das nimmt die ›Fahne‹ weg. Und dann gibt's Sprudelwasser. Und nebenan ist eine Brause, da halten Sie die Köpfe drunter. Verstanden?«
    »Ein Ordinarius«, seufzte Dr. Wehrmann und ging als erster ins nebenliegende Bad. »Da kann man gar nichts machen.«
    Eine halbe Stunde später saßen drei fröhliche, jetzt ziemlich nüchterne, nur in den Augen noch etwas stiere Männer um das Bett Gerdas und beglückwünschten sie. Es stellte sich heraus, daß jeder von ihnen telefonisch Blumen bestellt hatte, die unten beim Pförtner aufbewahrt worden waren.
    Dr. Wehrmann hatte einen großen Strauß roter Rosen gebracht. Erst als er in der Vase stand und Dr. Wehrmann Gerdas Blick auf diesen Blumen ruhen sah, wußte er, daß er die falschen gewählt hatte und ärgerte sich maßlos.
    Rote Rosen, dachte Gerda Pohland. Es wären die Blumen gewesen, die mir Micha geschenkt hätte. O Micha! Sie zwang sich zu lächeln und tapfer zu sein. Dann fielen ihr die Augen zu, so sehr sie sich bemühte, dagegen anzukämpfen. Eine wohltuende Schwäche überzog sie und nahm sie fort in einen tiefen Schlaf.
    Auf Zehenspitzen verließen die drei Männer das Zimmer.
    Tutti war in aller Stille begraben worden.
    Dechant Bader hatte seine Pfarrei für drei Tage seinen beiden Vikaren überlassen, Dr. Wehrmann schloß die Praxis offiziell wegen Todesfalles.
    Es war ein trauriges Begräbnis. Hinter dem kleinen weißen Sarg gingen neben Dr. Dornburg nur noch die Schwestern der Station und die Wirtsleute vom Gasthaus ›Sonne‹ aus Oberholzen, die Tutti nie gesehen, aber über acht Jahre hinweg mit Gerda Pohland gefühlt hatten.
    Dechant Bader hielt die Totenmesse in der kleinen Dorfkirche von Oberholzen. Er sprach von der Unerforschlichkeit Gottes, von der beschränkten Logik der Menschen, die Gottes Willen einfach nicht begreifen könnten … es war eine Predigt, die keiner der biederen oberbayerischen Bauern verstand und die an dem Dechanten neben seiner hünenhaften Gestalt nur noch die Urgewalt seiner Stimme bewunderten. Es war eine Predigt, die auch niemand verstehen sollte; sie war in Wirklichkeit eine Abrechnung Baders mit seinem Gott, eine Bußpredigt über sich selbst, der im geheimen auch nicht den Sinn dieses Lebens begriffen hatte und der – als er Tutti in ihrem weißen Sarg sah, ein Mensch, der kaum aussah wie ein Mensch, jetzt um so mehr, da die großen blauen, sprechenden Augen erloschen waren – einen ganzen Tag mit Gott haderte und mit ihm rang wie Hiob. Mit dieser Predigt versuchte er eine Rechtfertigung. Dr. Wehrmann war der einzige, der ihn verstand. Nach dem Gottesdienst trat er zu Bader und drückte ihm stumm die Hand.
    »Was soll das?« fragte Bader rauh.
    »Sie können mich jetzt in den Hintern treten«, Dr. Wehrmann atmete ein paarmal tief durch, »aber ich möchte Ihr Freund sein.«
    Dechant Bader legte sein Meßgewand zusammen und schwieg. Dann, nach einer ganzen Zeit, sagte er leise:
    »Doktor, ich hätte nie geglaubt, daß mich noch etwas im Leben erschüttern könnte. Ich habe nie gewagt, Gott eine Frage zu stellen. Gestern habe ich es getan, und er hat geantwortet. Ich glaube, ich habe mich bisher fast dreißig Jahre lang dämlich und stur benommen. Vor allem habe ich Gott erkannt – das ist ein Glück, das mein Leben wie vollendet werden läßt.«
    »Nun geht es darum, Gerda alles zu sagen.« Dr. Wehrmann ging nervös hin und her.
    »Das hat noch Zeit.«
    »Ich habe ein verdammt ungutes Gefühl dabei.«
    »Glauben Sie, ich nicht?« Dechant Bader schloß den kleinen Handkoffer und ließ die Schlösser einschnappen. »Ich habe da eine andere Idee. Wenn Frau Gerda wieder so kräftig ist, eine längere Reise zu unternehmen, fahre ich mit ihr hier nach Oberholzen, um Tutti zu besuchen.«
    »Unmöglich. Stellen Sie sich den Schock vor, wenn sie …«
    »Gar kein Schock wird es werden!« Dechant Bader trat an das Fenster und sah hinaus auf den kleinen Dorffriedhof, der hinter der Sakristei an der Kirche begann, wie es bei alten Dorfkirchen üblich ist. »Sie wird aufatmen«, sagte er leise. »Es ist schrecklich, daß ich so etwas sage,

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