Geliebter, betrogener Mann
er zu seinem Wagen und fuhr mit quietschenden Rädern aus dem Innenhof, als flüchte er. Erst auf der Chaussee hielt er an, nahm ein großes Taschentuch aus dem Rock und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Nun habe ich es getan, dachte er. Nun gibt es wirklich kein Zurück mehr. Alles, was nun folgt, ist meine Schuld, und ich allein muß die Konsequenzen tragen. Es kann alles gutgehen – aber es kann auch die Tragödie eintreten, von der ich zu Pohland sprach. Indessen gab es keinen anderen Weg. Es gab nur das Wagnis und die Hoffnung, daß es gut wird.
Es war ein Augenblick, in dem Dr. Wehrmann versucht war, zu sagen: Gott, hilf mir! Und deshalb fuhr er auch zu Dechant Bader. Er brauchte einen Menschen, dem er alles sagen konnte. Er brauchte einen Beichtvater, zum erstenmal in seinem Leben.
In der ›Pfarrburg‹ war das Erstaunen groß, als – wieder unangemeldet – Dr. Wehrmann erschien. Dechant Bader ließ ihn diesmal nicht in der großen Diele warten, sondern kam ihm sogar entgegen. Er winkte mit beiden Händen, als Wehrmann den Mund öffnete.
»Sagen Sie nichts, Doktor. Ich weiß, daß mein Neffe ein windiger Bursche ist. Er wird dieses Mädchen heiraten, und was Sie als Arzt verordnen, das geht mich nichts an, das will ich auch nicht wissen. Zufrieden?«
»Nein.«
»Nicht? Sie wollen sich also mit mir streiten?« Dechant Bader reckte seine gewaltige Gestalt und stemmte die Fäuste an die Seite. »Nun ran, Doktor. An mir werden Sie sich Ihren Schädel einrennen, Sie Querkopf.«
Dr. Wehrmann wedelte melancholisch mit der Hand, ging an Dechant Bader vorbei durch die Bibliothek, setzte sich in einen der Sessel, nahm eine Zigarre aus der geöffnet dastehenden Kiste und schnitt die Spitze ab. Bader folgte ihm verblüfft und blieb am Fenster stehen.
»Was soll denn das?« knurrte er. »Können Sie sich Ihre Zigarren nicht mehr leisten?«
Dr. Wehrmann rauchte die Zigarre an und blickte etwas trübsinnig dem sich ringelnden und drehenden Rauch nach.
»Ich muß mein Herz erleichtern«, sagte er nach einer Weile spannungsgeladenen Schweigens.
»Beichten?« fragte der Dechant ungläubig zurück.
»Erleichtern.« Wehrmann sah den mächtigen Priester an. Wie ein Turm stand er gegen das Licht des breiten Fensters. »Ihre Absolution können Sie sich sparen, denn da gibt es nichts zu vergelten.«
»Haben Sie einen umgebracht?« fragte Bader betroffen.
»Nein. Im Gegenteil.«
»Aber Doktor. In Ihrem Alter!«
Dr. Wehrmann raufte sich die Löwenmähne. »So kann auch nur ein Pfarrer denken!« rief er. »Ich habe ein Medikament vertauscht.«
»Ein Unglücksfall?«
»Nein. Bewußt.« – »Bewußt? Sind Sie verrückt, Doktor?«
»Auch das nicht. Aber ich mußte zu Ihnen kommen. Ich muß jemanden haben, dem ich das erzählen kann und der, genau wie ich als Arzt, schweigen muß. Betrachten Sie das um Gottes willen nicht als Beichte, sondern nur als eine ungewöhnliche Form von Mitteilungsbedürfnis.«
»Danke.« Dechant Bader kratzte sich den Kopf. »Zum Beichten gehört ja auch das Bereuen.«
»Und bereuen kann ich es nicht.«
»Das wird ja immer fröhlicher.« Dechant Bader griff auch in die Zigarrenkiste und steckte sich eine Zigarre an. »Hat der Umtausch große Wirkungen?«
»Das kann man wohl sagen.«
»Und trotzdem …«
»Trotzdem. Ich bin ein großer Sünder, was?«
»Lassen Sie die dummen Bemerkungen, Doktor. Worum handelt es sich?«
»Um die Anti-Baby-Pille.«
»Ein schrecklicher Name. Und was haben Sie gemacht?«
»Ich habe die Pillen gegen harmlose Kalkpillen umgetauscht. Nun wird die Frau, die in gutem Glauben an ihren Empfängnisschutz lebt, in spätestens zwei Monaten spüren, was geschehen ist.«
»Und das ist sicher?«
»Ganz sicher.«
»Und warum haben Sie das getan?«
»Es war wie eine Eingebung, wie eine Erleuchtung.«
»Stop.« Dechant Bader hob beide Hände. »Bitte, lassen Sie sich nicht dazu hinreißen, Gott als Inspirator anzuführen. Das wäre ein Grund, Sie hinauszuwerfen.«
»Sie mit Ihren dauernden Drohungen.« Dr. Wehrmann paffte den Qualm gegen die Zimmerdecke. »Aber es war so. Ich hatte plötzlich die Idee: Ein Schock kann helfen. Eine vollendete Tatsache, die nicht mehr zu ändern ist.«
»Sie sehen bei meinem Neffen … es gibt auch andere Wege …«
»Nicht hier, Herr Dechant. Es handelt sich um Frau Pohland.«
Der Pfarrer starrte einen Augenblick ungläubig den Arzt an. Dann setzte er sich, als spüre er seine Knie weich werden. Ein paarmal wischte er
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