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Geliebter Boss

Geliebter Boss

Titel: Geliebter Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Hanns Roesler
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und kalkig, an einem Draht j hängen ein paar elektrische Birnen, bis sie zu einem Raum kommen, an dem sich die Umbauwut noch nicht ausgelassen hat. Der Kofferhändler hat sie längst begrüßt und ist vor ihnen hergegangen. Jetzt geht er zum Regal des letzten Raumes hinüber und holt ein paar Koffer herunter. Er zieht unter dem Ladentisch einen Lappen hervor und wischt die Koffer ab.
    »Bei so einem Umbau zieht der Staub durch alle Räume!« beklagt er sich. »Mein Schutzengel muß geschlafen haben, als ich mich darauf einließ!«
    Er breitet die Koffer vor den beiden Kunden aus.
    Es sind sehr schöne Koffer, federleicht, mit eleganten Beschlägen.
    »Für die Dame? Für den Herrn?« fragt er.
    »Für meine Frau«, sagt Zanders und legt sogleich seinen Arm beschwichtigend um Birkes Schultern. »Wir suchen einen kleinen Schrankkoffer für die Kleider, einen Hutkoffer und einen Schmuckkoffer.«
    »Sie werden zufrieden sein«, sagt der Händler und geht nach hinten ins Lager.
    »Warum hast du das gesagt?« fragt Birke.
    »Was habe ich gesagt?«
    »Daß ich deine Frau bin?«
    »Aus Respekt vor dir. Ein Mann, der einem jungen Mädchen Koffer kauft...«
    »Und im Hotel?«
    »Im Hotel sind wir natürlich nicht verheiratet.«
    Herr Jacobi bringt weitere Koffer nach vorn.
    »Ich hätte hier eine Garnitur, drei Koffer im gleichen Dessin — dieser für die Kleider, dieser für die Hüte von Madame, der kleine für die Pretiosen. Bitte die vortreffliche Verarbeitung beachten zu wollen. Alles Wiener Handarbeit! Die Herrschaften befinden sich auf der Hochzeitsreise?«
    »Ja«, sagt Birke.
    Zanders zieht sie glücklich an sich.
    »Wir haben gestern geheiratet«, sagt er und lacht. »Dann nichts wie aus dem Frack heraus, und jetzt sind wir hier im Räuberzivil...«
    »Ich wüßte einen preisgünstigen Juwelier in der Annagasse, ein Freund von mir...«
    »Um Madame in Gold zu fassen?«
    »Um den Ringfinger von Madame ein wenig mit Gold zu verschönern«, sagt Herr Jacobi. »Haben die Herrschaften schon ein Hotel? Ich wüßte eines auf der Wieden — ich kenne dort den Portier; wenn ich für Sie anrufen darf?«
    »Wenn Sie uns jetzt bitte noch einen Hemdenkoffer zeigen wollten«, antwortet Zanders kurz angebunden.
    Herr Jacobi geht nach hinten. Er ist nicht beleidigt. Zu ihm kommen die sonderbarsten Kunden. Sein Geschäft ist in der Nähe eines großen Bahnhofes.
    »Er glaubt uns nicht«, sagt Birke.
    »Er ist ein unverschämter Lümmel.«
    »Wer fährt auch in Blue jeans mit seiner Frau auf die Hochzeitsreise!«
    »Der Prinz von Wales! Der Graf von Gleichen!«
    »Du siehst eher nach dem Graf von Seinesgleichen aus!«
    Zanders deutet auf die Koffer.
    »Gefallen sie dir?«
    »Ich habe noch nie einen eigenen Koffer besessen«, sagt Birke, »nur einen alten von Mutter, der hielt nur noch mit einem Riemen.«
    »Gutes Gepäck gehört zu unserem Geschäft.«
    Herr Jacobi bringt den vierten Koffer. Er zeigt das gleiche Dessin wie die anderen.
    »Haben die Herrschaften Schillinge?« fragt er.
    »Ich hoffe, Sie nehmen auch deutsches Geld.«
    »Deutsches Geld, gutes Geld! Ich rechne Ihnen einen besseren Kurs als jede Bank. Sie können bei mir einwechseln, wenn es Ihnen beliebt, die ganze Reisekasse.«
    »Was kosten die Koffer?«
    »Alle vier?«
    »Alle vier.«
    »Ich werde Ihnen einen günstigen Preis machen. In Mark.«
    Er zieht die vier Preiszettel herunter und beginnt zu rechnen.
    »Wären Ihnen für alle vier Koffer hundertneunzig Mark zuviel? Also schön, sagen wir hundertachtzig. Ich habe Ihnen zwanzig Prozent Rabatt gegeben, damit Sie aufs Wiederkommen nicht vergessen. Soll ich die Koffer verpacken und Ihnen zuschicken?«
    »Danke. Wir nehmen sie gleich mit. Wieviel?«
    »Hundertachtzig. Geradezu geschenkt.«
    Zanders zieht ein Bündel Hundertmarkscheine aus seiner Hose und überreicht Herrn Jacobi zwei Stück.
    Herr Jacobi schiebt die zwei Scheine in seine rechte Hosentasche und gibt aus der linken das Wechselgeld heraus. So sind hier die Bräuche. In der letzten Minute behält er die hundertvierzig Schilling in der Hand.
    »Wenn ich mir einen Vorschlag gestatten darf?« sagt er. »Brauchen Sie keine Ziegelsteine?«
    »Ziegelsteine?« fragt Zanders verwundert.
    »Ich könnte sie Ihnen preisgünstig abgeben. Vier Koffer voll für hundertvierzig Schilling.«
    »Wozu brauchen wir Ziegelsteine?«
    »Sie werden sie brauchen«, sagt Herr Jacobi. »Sie wollen doch nicht mit leeren Koffern im Hotel ankommen? Was soll sich denn der Hausdiener

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