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Geliebter Boss

Geliebter Boss

Titel: Geliebter Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Hanns Roesler
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erhebt sich draußen im Gang ein kurzer Lärm. Menschen laufen zusammen. Als die beiden Kriminalbeamten am Abteilfenster vorbeikommen, ist ein Mann in ihrer Mitte. Er geht mit gesenktem Kopf, die gefesselten Hände vor seinem Gesicht.
    »Er will nicht fotografiert werden«, sagt Peter. »Das würde ich dir übrigens auch raten. Wenn es einmal schiefgeht, immer das Gesicht mit den Händen zuhalten. Schon wegen der späteren Chancen.«
    Er steht auf und zieht die Vorhänge vor der Abteiltür zu.
    »Das Geld!« sagt er.
    Birke zieht die Scheine, auf denen sie saß, hervor.
    »Danke für die freundliche Beihilfe!« sagt Peter.
    »Ich habe Ihnen nicht beigeholfen!«
    »Doch. Du hast. Das heißt so im Bürgerlichen Gesetzbuch. Du hast das Geld versteckt, trotzdem du wußtest, daß es nicht mein Eigentum war. Damit hast du dich der Hehlerei schuldig gemacht. Ich weiß nicht, ob dir bei dem Zwischenfall klargeworden ist, daß der Beamte, nachdem er mich als Rechtsbrecher erkannt hatte, berechtigt gewesen wäre, an mir eine Leibesvisitation vorzunehmen. Wenn er diesen großen Geldbetrag bei mir oder unter dir gefunden hätte, hätten wir jetzt in Attnang -Puchheim aussteigen müssen. So streng sind hier die Bräuche.«
    »In Wien laufe ich Ihnen sowieso davon.«
    »Das überrascht mich nicht.«
    »Nicht eine Stunde länger...«
    »Das ist dein Vorsatz. Ich weiß es. Darum wollen wir unsere Abrechnung schnell hinter uns bringen.«
    Er legt die zwölf Bündel auf den kleinen Fenstertisch.
    »Ich bin der Meinung, wir teilen das Geld zu gleichen Teilen.«
    »Ich nehme keinen Pfennig davon.«
    Zanders antwortet nicht. Er legt sechs Bündel mit je 5000 Mark nach rechts und sechs Bündel mit je 5000 Mark nach links.
    »Das ist das deine, und das ist das meine«, sagt er. »Ich habe noch niemanden übervorteilt. Es gibt eine gewisse Ganovenehre, und an die halte ich mich. Gemeinsame Arbeit, gemeinsame Beute! Wenn du dein Geld genommen hast, kannst du aussteigen und mich zu jeder Minute verlassen.«
    »Sie können mich nicht zwingen, das Geld zu nehmen.«
    »Du ladest mir damit nur deine weitere Gesellschaft auf!« sagt Peter verärgert. »Ich werde das Geld für dich aufheben, bis du dich endlich entschließt, es von mir zu verlangen. Es wäre mir lieber, es geschieht heute, als morgen. Wenn du dich aber entschließt, mich als deinen Boß anzuerkennen...«
    »Wie unverschämt Sie das sagen!«
    »Laß mich doch ausreden!« sagt er und schiebt die Banknoten wieder in seine Tasche. »Wenn du mich also als deinen Boß anerkennst, müssen wir zuvor reinen Tisch machen. Die Kosten für unsere Reise, die Bahnfahrt, das Hotel und das Essen übernehme ich. Das ist mir deine liebreizende Gesellschaft wert. Allein wäre ich sowieso nicht gefahren. Ich habe dich eingeladen, deinen Urlaub mit mir zu verleben, und stehe dazu.«
    »Wie überaus liebenswürdig«, sagt Birke wütend.
    »Über deine Dreißigtausend kannst du nach Belieben verfügen. Du kannst dir Kleider kaufen, Strümpfe, Schuhe, Hüte, Handtaschen, auch einen Pelzmantel, wenn es dir Spaß macht...«
    »Jetzt, im Sommer!« spottet Birke.
    »Die gutangezogene Frau trägt auch im Sommer Pelze.«
    »Lächerlich!«
    »Das meinen wir Männer auch, aber die Damen tun es trotzdem.«
    Er fährt fort:
    »Auch deinen Friseur mußt du von dem eigenen bezahlen. Denn das Geld, das eine Frau zum Friseur trägt, weiß ich aus Erfahrung, hat schon manchen reichen Mann arm gemacht, und ich möchte nicht am Bettelstab enden.«
    »Sie werden am Galgen enden!«
    »Und du wirst darunter Spazierengehen und ein Lied pfeifen. Das hast du schon gesagt. Das sind Reminiszenzen aus der Dreigroschenoper. Aber jetzt sitzt du nicht im Theater, sondern steckst mittendrin und hast einen Boß bei dir!«
    »Einen feinen Boß!«
    »Einen geliebten Boß! Du kommst schon noch darauf! Und was deinen Anteil an der Beute betrifft, den ich jetzt wieder an mich genommen habe...“
    »Ich habe das Geld weder genommen noch die Unterschrift gefälscht!« sagt Birke.
    »Das sind doch Haarspaltereien!« sagt Zanders wütend. »Du hast das Geld nicht seinem Besitzer übergeben, du hast es nicht ins Hotel gebracht, du hast die Unterschriften sogar mehrfach gefälscht — du hast nicht geschrien, als ich gekommen bist, du hast nicht geschrien, als ich gegangen bin, du hast im Kino gesessen und hast auf mich gewartet — jetzt hattest du wieder die Gelegenheit, aber nein, du hast geschwiegen und das Geld vor der Polizei versteckt! Was

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