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Geliebter Boss

Geliebter Boss

Titel: Geliebter Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Hanns Roesler
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gehen.
    Zanders schaut verwundert.
    »Wollen Sie uns die Koffer nicht zum Taxi tragen?«
    »Jetzt? Wo sie mit Ziegeln gefüllt sind? Soll ich mich machen zum Mitschuldigen, wenn morgen kommt die Frau Mama vom Fräulein, sie zurückzuholen vom Herrn Verführer?«
    Während Zanders den ersten Koffer hinausträgt und den Chauffeur ersucht, die restlichen hinauszutragen, was dieser mit einem Hinweis auf einen Dienstmann zunächst ablehnt, dann aber doch tut, nachdem er sich vergewissert hat, keinem Undankbaren diesen Dienst zu leisten, sagt Herr Jacobi zu Birke:
    »Kommen Sie, wann immer Sie wollen und nicht weiter wissen, auch wenn Sie brauchen Geld, zum alten Jacobi. Der andere Mann ist nicht der richtige für Sie!«
    »Er ist auch nicht der richtige«, sagt Birke und lacht.
    Dann gehen sie.
    Herr Jacobi bleibt in der Tür stehen und winkt ihnen nach.
    Birke winkt zurück.
    Herr Jacobi deutet auf die Hausnummer über seinem Laden.
    Birke nickt ihm zu.
    Dann setzt sich der Wagen in Bewegung.
    »Hotel Imperial?« fragt der Chauffeur.
    Mitunter ändern die Fahrgäste ihre Wünsche. Er ist allerhand gewohnt.
    »Hotel Imperial?« fragt er darum.
    »Ja. Lassen Sie sich Zeit.«

9

    Birke ist zum erstenmal allein. Zum erstenmal seit siebzehn Stunden. Es ist genau zwölf Uhr mittags. Die Hausdiener haben ihre Koffer heraufgebracht und auf die Kofferbank niedergestellt. Sie hält noch ihren Schmuckkoffer mit den Ziegelsteinen in der Hand.
    Auf dem Tisch steht ein großer Strauß roter Gladiolen, daneben eine Porzellanschale mit Wiener Konfekt und ein Fruchtkorb mit Brüsseler Trauben, Bananen und Pfirsichen. Neben den Blumen lehnt eine silbergraue Karte.
    »Frohe Tage in Wien! Das Imperial-Hotel.«
    Handschriftlich unterschrieben: »Direktor Littich .«
    Neben dem Obstkorb liegt ein Büchlein in rot-weiß gestreiftem Umschlag, »Liebesbrief an Wien«, ein Führer durch die Stadt und das Hotel, mit kostbaren Radierungen und Zeichnungen versehen, eine Morgengabe für jeden eintreffenden Hotelgast, von einem bekannten Feuilletonisten geschrieben.
    Birke rührt sich nicht vom Fleck. Sie steht noch genauso in der Mitte des Zimmers, wie sie stand, als der Hausdiener die Tür hinter sich schloß. Zum zweitenmal glaubt sie, in einem Traum zu leben. Sie fühlt, wenn sie sich jetzt bewegt, ist der Traum zu Ende, und sie sitzt hinter ihrem Schreibtisch in der Bank.
    Es ist alles wie ein Märchen. Solche Hotels gibt es nicht in Wirklichkeit. Schon die Luft in der großen Halle, in die sie eintraten, war von einer Süße wie Flieder im Frühling. Die spiegelnden Marmorwände, der gewaltige rote Märchenteppich, über den sie zum Lift gingen, zwei Fahrstühle in Nußholz nebeneinander, lautlos gleitend, mit ihren Speisekarten ohne Preis, in drei Sprachen, Englisch, Französisch, Deutsch — ein dritter breiter Fahrstuhl gegenüber, kein Paternoster wie in der Bank, wo man während der Fahrt aufspringen und abspringen muß — es ist eine so andere Welt für sie. Auch wie dieser stille junge Herr im dunklen Anzug Zanders und sie in ihre Zimmer begleitete, Zimmer 458 und Zimmer 459, die Tür aufschloß, und die Lichtflut aus den hohen Fenstern sie überfiel und das ganze Panorama Wiens vor ihren Augen lag.
    »Ist dieses Zimmer Ihnen angenehm, gnädige Frau?«
    Es ist ein Eckzimmer, ein Doppelzimmer im vierten Stock des Hotels, mit einem großen Bett und einem gekachelten Bad.
    »Wenn Sie noch einen Wunsch haben, gnädige Frau...«
    Dann war sie plötzlich wieder allein. Kurze Zeit darauf hatte es an der Tür geklopft, der Hausdiener hatte ihre drei Koffer gebracht — wenn er wüßte, was darin war!
    Eine Couch steht im Raum, ein Tisch, zwei tiefe Sessel mit Gobelin bezogen, der Fußboden mit dunkelgrünem Velours ausgelegt, ein weißes Telefon auf dem Nachttisch, die roten Gladiolen in der Vase, zwei große Fenster, durch die der Turm der Stephanskirche hereinschaut, das große bunte Dach der Kirche, und nach links hinüber der Wienerwald, die kleinen Weindörfer, der Kahlenberg , der Leopoldsberg .
    Sie ist näher zum Fenster getreten, der Anblick dieser Stadt von hier oben verwirrt sie, die Dächer, die schmalen Schornsteine auf allen Häusern, die zahlreichen Kirchtürme, der Blick hinunter auf die breite Ringstraße, gegenüber das Cafe Schwarzenberg und die zweifache Doppelallee der grünen Bäume, der Korso der Autos — noch immer hält sie ihren Schmuckkoffer in der Hand, sie gehört nicht hierher, sie weiß es, sie wird auch nur ein

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