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Geliebter Boss

Geliebter Boss

Titel: Geliebter Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Hanns Roesler
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abscheulich findet. Sie füttert die Tauben weiter.
    »Die Tauben haben es gut. Wenn Venedig eines Tages untergeht, fliegen sie auf das Festland zurück.“
    »Haben ein Brieflein im Schnabel!« spottet Peter.
    »Von der Liebsten einen Gruß! Wenn du eines Tages im Gefängnis sitzt und eine Taube nähert sich deinem Fenster — sie kommt von mir.«
    »Wo wirst du sein?«
    »In Venedig.«
    »Du bleibst hier?«
    »Ich gehe nicht weg. Wo soll ich denn hin? Ich werde Zimmermädchen in unserem Hotel werden und auf dich warten. Dann räume ich jeden Tag das Zimmer auf, in dem wir so glücklich waren.«
    Soll Peter gerührt sein? Es liegt ihm nicht. Er lacht.
    »Liegt dir so viel an diesem Zimmer?«
    »Ich kenne keinen anderen Mann als dich.«
    »Hast du die anderen alle vergessen?«
    »Ausgelöscht! Weggewischt! Vom Erdboden verschwunden!«
    »Wie viele waren es?«
    »Siehst du die fünf Finger an meiner Hand? Jetzt nehme ich den Daumen weg, den Zeigefinger, den Mittelfinger, den Ringfinger — was bleibt übrig?«
    »Einer!«
    »Das bist du.«
    »Ich wäre lieber der Daumen gewesen.«
    »Du bist die ganze Hand. Du bist mein ganzes Ich. Du bist meine Welt und mein Himmel.«
    Und das auf dem Markusplatz in Venedig? Und das beim Taubenfüttern? Ja, schreibt denn das keiner auf?
    Birke nimmt die zweite Tüte und füttert die Tauben. Einer hinter ihr wirft seine Maiskörner genau in die Richtung, in die Birke ihre Körner streut. Immer wieder.
    »Sag ihm, Peter, er soll damit aufhören!«
    Da der andere damit fortfährt, wiederholt Birke:
    »Sag’s ihm, Peter!«
    Keine Antwort.
    Als Birke sich umwendet, ist Peter wie vom Erdboden verschwunden. Aber ein anderer steht dicht vor ihr. Es ist der Detektiv aus Wien.
    Birke verschlägt es die Rede. Sie starrt ihn an, die Tüte mit dem Taubenfutter in der Hand.
    »Ich beobachte Sie schon die ganze Zeit«, sagt der Fremde lächelnd. »Was für eine Überraschung! Waren Sie nicht in Gesellschaft?«
    »Nein«, antwortete Birke.
    »Sie sind allein in Venedig?«
    »Wie Sie sehen!«
    Sie knüllt die leere Tüte in ihrer Hand zusammen. Sie macht mit der Tüte das, was sie am liebsten mit ihrem Gegenüber gemacht hätte: ihm den Kragen umgedreht. Ihre ohnmächtige Wut läßt sie an der Tüte aus.
    Der andere nimmt ihr die Tüte aus der Hand und wirft sie in einen der danebenstehenden Abfallkörbe.
    »Irre ich mich oder befanden Sie sich in Begleitung von Herrn Saussen?«
    Sie spielt die Überraschte.
    »Herr Saussen ist in Venedig?«
    »Er soll in Venedig sein.«
    »Ich bin ihm noch nicht begegnet.«
    »Sehr interessant, das zu hören. Seine Spur führt nach Venedig.«
    »Seine Spur?« fragt Birke erschrocken.
    »Wissen Sie zufällig, ob Herr Saussen in den letzten Monaten in Deutschland war?«
    »Woher sollte ich das wissen? Ich kenne ihn kaum.«
    Der falsche Detektiv aus Wien sagt:
    »Wir haben bei der Wiener Interpol ein paar Unterlagen hereinbekommen — aber das wird Sie ja nicht interessieren. Hätten Sie nicht Lust, einen Espresso mit mir zu trinken?«
    Er deutet zum Café Crispi hinüber.
    »Vielleicht erzähle ich Ihnen dort einiges Wissenswerte über diesen Herrn. Er soll mit einem jungen Mädchen zusammenarbeiten, morgen erhalte ich ihre Fotografie...«

12

    Eine Riesenlanguste liegt auf einem silbernen Tablett. Frisch gekocht, noch warm, mit Zitronen und frischen Trüffeln garniert. Sie sitzen in der » Barcarole « im Garten, die überhängenden Zweige reichen bis in das Wasser des kleinen Kanals. Auf den Tischen stehen Windlichter und spiegeln sich im Wasser wider. Roter Wein glänzt in geschliffenen Gläsern, ein 1921er Gevry Chambertin , »par les soins de J. Thorin à Pon-taneveaux , Bourgogne élevé «, der Wirt hat ihn selbst durch eine Serviette in die Karaffe rinnen lassen, ihm damit die Luft zuführend, die ein alter Burgunder zu seiner Entfaltung braucht.
    So vornehm ist das Lokal, und so exquisit sind hier die Bräuche. Die Langusten sind von den steinigen Küsten bei Grado lebendig herangefahren worden, keine Langusten, wie man sie auf den Sandbänken des Lidos fängt oder in der nahen Umgebung Venedigs, jene mit dem süßlichen Geschmack, die den Gaumen des Kenners verärgern. Birke hat keinen Blick dafür.
    »Aber versteh doch, Peter!«
    »Alles zu seiner Zeit!«
    »Sie sind hinter uns her!«
    »Sie werden nicht in dieser Minute eintreten und uns vom Genuß dieses köstlichen Schalentiers ablenken.«
    Er hebt die Rückenplatte der roten Languste hoch und legt

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