Geliebter Boss
Birke vor.
»Der Kerl hat mir so zugesetzt!«
»Vergiß es! Worauf wollen wir trinken?«
Er hebt sein Glas.
»Nimm dein Glas!«
Birke tut es.
»Atme den Duft des Weines tief ein und sieh mir in die Augen! Jetzt trink!«
Sie trinken und lassen einander nicht aus den Augen. Sie setzen die Gläser stumm auf den Tisch zurück und lösen ihre
Blicke nicht voneinander. Auf dem Kanal erklingt eine Gitarre.
»Jetzt iß!« sagt Zanders.
»Ich bekomme keinen Bissen hinunter! Ich muß immer an diesen schrecklichen Menschen denken. Bist du wirklich schon so oft vorbestraft, wie er mir erzählt hat?«
»Wenn er es sagt, wird es schon stimmen.«
»Er weiß den ganzen Vorgang von der Bank.«
»Hast du geglaubt, sie merken es nicht?«
»Ich mache den Schaden wieder gut«, sagt Birke. »Ich verkaufe unser kleines Haus...«
»Einverstanden.«
»Das macht dir nichts aus?« fragt Birke überrascht.
Zanders nimmt ihre Hand.
»Was geschehen ist, das ist geschehen. Ich gehe wieder einmal ins Gefängnis, und du verkaufst dein Haus. Das wird morgen sein. Aber heute sitzen wir hier, im schönsten Land der Welt, in der schönsten Stadt dieses Landes, im teuersten Lokal dieser Stadt, vor der schönsten Languste dieses Lokales — komm, laß uns fröhlich sein und die letzten Stunden genießen!«
Peter legt ihr vor. Er zeigt ihr, wie "man ein paar Tropfen der reifen Zitrone auf die Scheibe der Languste träufelt, ein wenig von der schaumig geschlagenen Butter obenauf und in die Butter hinein ein Viertel der frischen Trüffel, und das Ganze andächtig zum Mund führt, zuerst den Duft dieses köstlichen Bissens genießt, genau wie man einen Schluck Wein vorher erst goutiert, ehe man ihn trinkt, langsam, andächtig, mit einem kleinen Tischspruch vorher:
»Ich danke Dir, lieber Gott, daß Du mich an diesen Tisch gesetzt hast, daß Du dem Fischer den glücklichsten Fang gabst, den Trüffelsäuen die gute Nase, zehn Zentimeter unter dem Laub der Eichenwälder die Trüffeln zu finden, daß Du dem Winzer die Sonne gabst, die Reben bis in den Herbst reifen zu lassen — ich danke Dir, daß ich nicht in einer Fischerkneipe im Hafen jetzt Kaldaunen esse oder in der bewirtschafteten Wartehalle eines deutschen Bahnhofs ein Touristenmenü!«
Er spricht ihr den Spruch vor und erklärt ihr, daß man früher in Rußland mit Bären auf die Trüffeljagd ging, daß Trüffeln nur unter bestimmten Bäumen wachsen, auch in den Kastanienhainen hinter Mailand, wo man sie mit Trüffelhunden sucht, daß aber die unter Burgunds Eichen die würzigsten sind und daß, entholzt man die Wälder und schlägt man die Bäume, jahrzehntelang dort keine Trüffeln mehr gedeihen, sie aber sofort wieder an der gleichen Stelle aus den alten Wurzeln emporstoßen, wenn das Laub der Bäume wieder ein geschlossenes Dach bildet.
»Woher weißt du das alles, Peter?« fragt Birke.
»Aus den Zuchthäusern. Nur Menschen, die immer mit einem Fuß im Gefängnis stehen, können sich diese Genüsse I; des Lebens leisten. Ich habe dir noch nicht einmal mein Kompliment über dein neues Kleid gemacht, bei dem sogar die Engel im Himmel vor Neid erblassen. Auch dein Anblick gehört zu den Genüssen des Lebens, die ich mir nur leisten kann, weil — na ja, eben weil...«
Er legt seine Hände über Kreuz, als warte er auf die Handschellen.
Jetzt tut Birke etwas, was sie noch nie gemacht hat.
Sie beugt sich ganz schnell vor und küßt wie im Fluge Peters Hand.
»Danke für das Kleid!« sagt sie.
»Ich habe den Augenblick benutzt, als ich diesen Schuft aus Wien plötzlich hinter uns auftauchen sah. Ich bin verschwunden. Man soll der Gefahr nicht die Hand geben. Habe ich meine Zeit« — er deutet auf ihr Kleid, die neue Handtasche, den neuen Hut — »nicht trefflich genutzt? Woher wußtest du so-; fort, daß das Kleid dir gehört?«
»Als ich ins Hotel kam, mich umzuziehen, fand ich das Kleid. Eine rote Rose lag darauf.«
»Gehört dir alles, auf dem du eine rote Rose findest?“
»Seitdem ich dich kenne — ja.«
Peter nimmt eine rote Rose vom Tisch und hält sie an sein Herz.
Jetzt kann Birke zum erstenmal wieder lachen.
Sie deutet auf die Languste.
»Jetzt schmeckt sie mir — bitte noch!«
Zanders lacht.
»Es ist nichts Eßbares mehr daran.«
»Die ganze vordere Hälfte?«
»Da ist nichts darin.«
Birke ist empört.
»Eine Gemeinheit von dem Krebs!«
»Es gibt auch Menschen, die so sind. Alles in den unteren Gliedern und nichts im Herzen und im Kopf.«
Sie
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