Geliebter Boss
und einer dunkelgrauen Perlenkette um den Hals, ihr einziger Schmuck, sitzt in einem Sessel, der Tür genau gegenüber.
»Mama!« ruft Peter und eilt auf sie zu.
»Was sagst du zu der Überraschung, mein Junge: Man muß nach Venedig fahren, um dich wieder einmal zu Gesicht zu bekommen. Laß dich anschauen! Prächtig siehst du aus! Mein Junge, ich freue mich ja so, dich wiederzusehen. Willst du etwas trinken?«
»Nein. Danke. Ein neues Reisekostüm?«
»Ich freue mich, daß du es bemerkst.«
»Du hast es gern, wenn ich es bemerke.«
»Du warst immer ein guter und aufmerksamer Sohn. Jetzt darfst du mich küssen.«
Peter küßt ihr die Wangen und legt sein Gesicht auf ihre Hand. Es ist seine alte Geste der Zärtlichkeit zu seiner Mutter.
»Bist du durch einen Zufall hier?« fragt er.
»Ein reiner Zufall! Ich habe mich am Lido auf vierzehn Tage eingemietet. Kommst du mit? Ich lade dich gern ein.«
Warum sagt Mutter das so sonderbar? Ahnt sie etwas? Natürlich ahnt sie nichts, woher sollte sie auch? Die Geschichte ist keine fünf Tage alt.
»Ich warte immer noch auf deine Antwort. Kommst du mit?«
»Ich muß morgen leider nach Turin. Zu den Fiat-Leuten. Sonst schrecklich gern.«
»Schade! Ich hatte mich so auf unser Zusammensein gefreut.«
Dann fragt sie plötzlich ganz direkt:
»Du hast hier im Hotel zwei Zimmer genommen?“
»Spionierst du mir nach?«
Zanders fragt es zwischen Scherz und Ernst.
»Es ist doch sonst nicht deine Art«, setzt er hinzu.
»Es ist auch diesmal nicht meine Art. Der Zufall wollte es, daß ich mich beim Portier bei meiner Ankunft erkundigte, ob du zufällig in Venedig bist oder erwartet wirst. Zu meiner Freude konnte er mir bestätigen, daß du bereits angekommen seist. Er sagte Zimmer 204 und 205 — bist du unter die Verschwender geraten?«
Zanders macht ein gleichgültiges Gesicht.
»Ich brauche das zweite Zimmer für meine geschäftlichen Konferenzen.«
»Das ist vernünftig, mein Junge. Das hebt den Stil. Hoffentlich hast du auch eine Sekretärin bei dir. Möglichst die gleiche, die du schon in Wien im Imperial bei dir hattest. Ist sie tüchtig?«
»Das weißt du?«
»Eine Mutter erfährt meist alles, wenn es sich um ihren einzigen Jungen handelt. Ich nehme an, jetzt wirst du gern etwas trinken. Whisky? Gin?«
»Ich bediene mich selbst«, sagt Zanders und geht hinüber zu der kleinen Reisebar , vier Flaschen in einem Lederetui, ohne die seine Mutter nie auf Reisen geht.
Er hebt die leere Ginflasche erstaunt zum Licht.
»Hast du daheim nicht nachgefüllt?«
Die Mutter lächelt.
»Nimm an, ich habe mich jetzt schon, während ich auf dich wartete, ein wenig aus ihr gestärkt. Es ist gar nicht so einfach für eine alte Dame, einem erwachsenen Sohn die Leviten zu lesen, dazu braucht man Mut. Und nun beichte, mein Junge!«
Wo soll man beginnen? Hat die Geschichte überhaupt einen Anfang? Ist man sich schon selbst über alles klargeworden, daß man Rechenschaft ablegen kann? Oder ist es nicht nur ein Abenteuer, wie so manches andere zuvor?
Zum erstenmal gibt sich Peter Zanders über die fünf Tage Rechenschaft. Er war in die Bank gekommen, von der Rennstrecke der Autowerke her, um sich sein Geld zu holen, die Zinsen von seinem großen Vermögen, den »Lebekies«, wie er dieses Geld immer nannte. Er hatte nicht im Hotel gewartet, bis man es ihm hinüberbrachte, er war an der Bank vorbeigekommen, ein plötzlicher Entschluß, hineinzugehen, und da stand er plötzlich einem jungen Mädchen gegenüber, das mit seiner Unterschrift Schreibübungen machte. Ein recht hübsches Mädchen sogar, was für ein glücklicher Zufall, mit ein paar Sommersprossen auf der Nase, einem braunen und einem grünen Auge — sie hatte ihn für einen Einbrecher gehalten, und dann hatte er, weil es ihm Spaß machte, diese Rolle mitgespielt. Die Angst des Mädchens, ihre Empörung, man müßte kein Mann sein, wenn man solche Gelegenheiten nicht beim Schopfe packt. Er stahl vor ihren Augen das Geld, das für ihn bestimmt war, das ihm gehörte, und zwang sie, mit ihm zu gehen. Das Mädchen fuhr gerade auf Urlaub, die Gelegenheit war günstig, einem fröhlichen Sommerabenteuer stand nichts im Wege.
Hatte er sich mehr dabei gedacht?
»Du mußt dir doch dabei etwas gedacht haben, Junge?«
»Nicht das geringste, Mama! Sie gefiel mir — ich hatte Zeit...«
»... und Geld!«
»Sag das bitte nicht in einem Ton, als ob du mir daraus einen Vorwurf machst, daß du ein Vermögen mit in die Ehe gebracht
Weitere Kostenlose Bücher