Geliebter Feind
grundlos“, erwiderte Nikolai trocken.
Abbey schnappte empört nach Luft. „Ich habe einem Dinner zugestimmt, mehr nicht! Möglicherweise bildest du dir ein, dass du für eine Spende in Höhe einer halben Million mehr verlangen kannst, aber mein Körper stand nie zur Debatte!“
Sein Blick lag unverwandt auf ihr. „Wie kommst du auf die abwegige Idee, ich müsste mir meine Frauen kaufen?“, meinte er geradezu amüsiert.
„Du hast doch zugegeben, dass du jede Taktik anwendest, um zu bekommen, was du willst. Oder etwa nicht? Die Aussicht auf die Spende war die reinste Erpressung.“
„Aber ich zahle nicht für Sex. Grundsätzlich nicht.“ Seine Stimme klirrte vor Kälte.
Ihre plötzlich auftretende Blässe ließ ihre Sommersprossen besonders stark hervortreten. Nikolais Erklärung war wie ein Eimer mit kaltem Wasser, der ihre Rage auslöschte und sie unsicher zurückließ. „Und was ist mit dem Kleid, den Schuhen und dem Schmuck?“
„Ich bin ein großzügiger Mensch. Die Frauen, mit denen ich ausgehe, erwarten solche Gesten von mir. Und sie nehmen sie auch immer dankbar an.“
„Dann triffst du dich mit den falschen Frauen.“
„Mag sein. Die Unterstellung jedoch, ich müsste mein Geld nutzen, um Frauen in mein Bett zu locken, ist schlichtweg beleidigend.“
„Halten wir uns doch nicht mit solchen Lappalien auf!“, schoss sie zurück. „Du hast deinem Chauffeur für den Rest des Abends freigegeben.“
„Vielleicht, weil ich vorhatte, dich nachher selbst nach Hause zu fahren.“ Der leiseste Hauch von Rot huschte über seine Wangenknochen. Sie hatte durchaus recht mit ihrer Vermutung. Er war davon ausgegangen, dass sie die Nacht mit ihm verbringen würde. Ihr völliger Mangel an Gewandtheit in dieser Beziehung verblüffte ihn. Noch nie hatte er eine so unmögliche Szene mit einer Frau erlebt. Allerdings hatte sich auch noch keine Frau geweigert, Sex mit ihm zu haben. Bei einer Frau, die verheiratet gewesen war, hätte er eigentlich mehr Schliff und Erfahrung vorausgesetzt und weniger prüde Hysterie.
Seine einfache und durchaus logische Erklärung ließ Abbey verlegen werden. Das hätte sie sich auch selbst denken können, nur … aus einem unerfindlichen Grund war sie nicht darauf gekommen. „Es ist nur … ich kenne dich doch gar nicht …“
Ihre Verlegenheit amüsierte ihn. Sie schien viel jünger als ihre fünfundzwanzig Jahre zu sein, fast wie ein verschüchtertes Schulmädchen. Sein Ärger verpuffte, und Humor blitzte in seinen Augen auf. „Lass uns einfach das Essen genießen, milaja .“
Nach dem heutigen Abend würde Abbey ihn nie wiedersehen, das schwor sie sich still. Ihr gefiel nicht, welche Gefühle er in ihr wachrufen konnte. Sie erinnerte sich noch gut daran, was sie mit fünfzehn gefühlt hatte, als ihr Vater Jeffrey zum ersten Mal zum Abendessen mit nach Hause brachte. Sie war völlig hingerissen gewesen, wie hypnotisiert, und hatte kaum einen Bissen heruntergebracht. In dem gleichen Jahr hatten Drew und Caroline sich verlobt und das Hochzeitsdatum festgelegt, also gehörten Jeffrey und seine Familie von da an fest zum Bild.
Abbey hatte sich Hals über Kopf in den gut aussehenden, smarten Anwalt verliebt. Seine Intelligenz und sein Charme faszinierten sie ebenso sehr wie sein Erfolg. Sie war zufrieden gewesen, ihn von Weitem anzuhimmeln, und begnügte sich mit den kurzen Gesprächen, wenn er denn tatsächlich einmal das Wort an sie richtete. Seine Dinnereinladung überraschte sie ebenso sehr wie auch beide Familien. Wie viele Wochen waren überhaupt vergangen, bevor er sie das erste Mal zum Abschied küsste? Zwischen den beiden Männern ließen sich keine Vergleiche ziehen – Jeffrey, der sie geliebt und respektiert hatte, und Nikolai Arlov, für den sie nichts anderes als die potenzielle nächste Eroberung darstellte. Wie konnte sie nur auf einen solchen Mann reagieren? Wo waren ihr Stolz und ihr Selbstwertgefühl geblieben?!
„Woran denkst du?“, fragte Nikolai. Sie saßen in dem beeindruckenden Esszimmer, der erste Gang wurde gerade aufgetragen.
Nervös spielte Abbey mit ihrem Ehering. Sie war wirklich meilenweit weg gewesen. „An nichts Wichtiges.“
Nikolai war die nervöse Geste jedoch nicht entgangen. Er hatte das Gefühl, in dem Mann in ihren Erinnerungen einen überstarken Konkurrenten zu haben. Dass sie in seiner Gegenwart an ihren verstorbenen Ehemann dachte, machte ihn wütend. Noch wütender allerdings machte es ihn, dass er sich überhaupt fragte,
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