Geliebter Feind
brechen, gleichgültig, was immer geschehen mag."
Guy hatte das Gefühl, als würde er innerlich zerrissen. Er verlangte Kathryns Loyalität, ja sogar ihre Liebe, und er wußte doch, daß er keines von beidem je erlangen konnte. Er haßte sich dafür, daß er nicht wußte, ob er ihr vertrauen konnte, selbst wenn sie einen Schwur leistete.
Er starrte sie unerbittlich an. „Ihr habt Euch Roderick schon einmal zugewendet, Kathryn. Das könnt Ihr nicht leugnen. Er war derjenige, nach dem Euch der Sinn stand - nicht ich. Weshalb also sollte ich Euch glauben?"
„Ja, weshalb?" sagte sie bitter, und plötzlich weinte, lachte und schluchzte sie und schlug mit den Fäusten auf seine Brust ein. „Ihr wolltet vorhin wissen, ob ich böse bin. Jawohl, das bin ich! Ich bin böse darüber, daß Ihr so blind seid. Böse darüber, daß ich alle meine Gefühle verbergen muß . . . "
„Und was sind das für Gefühle?" Er fing ihre Handgelenke ein, zog Kathryn dich zu sich heran und blickte ihr durchdringend in die Augen.
Da sie ihre Hände nicht bewegen konnte, war es ihr auch nicht möglich, sich die Tränen von den Wangen zu wischen; der Geschmack dieser Tränen und der der Verzweiflung lag bitter auf ihrer Zunge.
Die Kraft zum Streiten verließ sie von einem Moment zum anderen, und als Kathryn wieder sprechen konnte, hörte es sich wie ein zitterndes Flüstern an. „Wißt Ihr das denn tatsächlich nicht?"
Er blickte ihr in die grünen, tränenverschleierten Augen, und für einen Moment meinte er, ihr direkt bis in die Seele schauen zu können. Sein Herz setzte aus und schlug dann beinahe schmerzhaft weiter. Seinem Gesichtsausdruck war davon nichts anzumerken.
„Sagt es mir, Kathryn! Sagt mir, was Ihr fühlt - und weshalb Ihr es verbergen müßt."
Neue Tränen rollten ihr über die Wangen. „Weil es für mich nur Euch gibt! Ihr werft mir vor, ich würde mit einem anderen Mann herumtändeln, wo es für mich doch niemanden außer Euch gibt. Es hat auch nie einen anderen gegeben. Ich wollte es nicht, doch ich . . . O Gott! Wißt Ihr denn nicht, daß ich Euch liebe?"
Von draußen wurde heftig an die Tür gehämmert. „Herr!" rief jemand.
Guy war hin-und hergerissen zwischen der bebenden Frau in seinen Armen und dem Mann an der Tür. Er wollte ihn einfach nicht zur Kenntnis nehmen, doch das Pochen ging unerbittlich weiter.
„Herr! Ich muß Euch dringend sprechen!"
Fluchend drehte sich Guy um und öffnete die Tür. Sir Edward und zwei weitere Ritter standen auf dem Korridor. Ersterer trat vor.
„Herr, wir haben soeben die Nachricht erhalten, daß Ramsey Keep unter Angriff steht!"
„Was? Wer sind die Angreifer? Wessen Banner tragen sie?"
„Das wissen wir nicht", antwortete Sir Edward. „Der Bote sagte, er sei gleich nach dem Beginn der Belagerung im Schutz der Dunkelheit geflohen und hätte deshalb die Banner nicht erkennen können. Herr, Eure Leute bereiten sich schon in den Ställen auf den Aufbruch vor", fügte er hinzu. „Werdet Ihr mit ihnen reiten?"
Guy nickte kurz. Im stillen verfluchte er das Schicksal wegensolcher Störung zur Unzeit. Er wollte jetzt seine Gemahlin nicht verlassen, jetzt nicht und niemals wieder. „Laßt mein Schlachtroß satteln", befahl er. „Ich komme sofort."
Die drei Männer eilten hinfort. Guy drehte sich zu Kathryn um, die einen Schritt hinter ihm stand. „Mir bleibt keine andere Wahl, als mit ihnen zu reiten", erklärte er finster.
„Ich weiß." Ihr Herz schmerzte, doch sie verbarg das hinter einem Lächeln.
Er faßte sie um die Taille und zog sie beinahe grob zu sich heran. „Ich verspreche Euch, so bald wie irgend möglich zurückzu-kommen, Kathryn." Im nächsten Moment preßte er seine Li p -
pen auf ihre. Sein Kuß war heiß, leidenschaftlich und voller Zärtlichkeit. Kathryn schlang die Arme um Guys Nacken und klammerte sich an ihm fest. Sie wünschte, der Kuß möge n i e enden und Guy würde sie nicht verlassen müssen, niemals wieder.
Dieser Wunsch konnte sich selbstverständlich n i c h t e r f ü l l e n der Earl mußte gehen.
Kathryn beobachtete aus dem Fenster, wie er u n d seine Krieger mit donnerndem Hufschlag zum Tor hinaus r i t t e n , und i n diesem Moment lief ihr ein unheilvoller Schauder über den Rücken. Ihr war mit einmal totenkalt, obwohl doch das H e r d -
feuer wärmend brannte. Sie wurde das gespenstischer Gefühl nicht los, daß etwas Schreckliches geschehen w ü r d e .
Damit sollte sie recht behalten.
21. KAPITEL
Kathryn versuchte
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