Geliebter Feind
befriedigt über ihr zusammen.
Der Sturm in ihnen ebbte ab und legte sich schließlich. Kathryn schob die Finger in das rabenschwarze Haar auf Guys Brust, und erst jetzt wurde ihr bewußt, daß ihr die Tränen über die Wangen liefen.
Sie weinte, weil sie ihn liebte und nicht wagte, es ihn wissen zu lassen.
Guy bezweifelte nicht, daß sie weinte, weil sie ihn nicht liebte.
Der Himmel im Osten schimmerte blaßviolett, als Guy am nächsten Morgen aus dem Bett schlüpfte. Rasch legte er Tunika, Beinlinge und Stiefel an. Neben der Wiege blieb er einen Moment stehen, und seine Miene wurde ein wenig weicher.
Er war Brenna, dem kleinen Engel, ausgesprochen dankbar, denn sie hatte diesmal ohne Störung durchgeschlafen und von ihrer Mutter nicht die sonst übliche nächtliche Mahlzeit verlangt.
Guy betrachtete seine Tochter. Sie lag halb auf dem Bauch, hatte die Beinchen hochgezogen und streckte das kleine Hinter-teil in die Luft. Eine winzige Faust drückte sich an ihre Wange, und ihr Mündchen öffnete und bewegte sich, als söge es an der Mutterbrust.
Er lachte leise und streichelte ganz zart über das weiche Haar auf ihrem Köpfchen. Wie winzig das kleine Mädchen neben seiner großen Hand wirkte! Der Stolz schwellte wieder einmal seine Brust, denn eines Tages würde Brenna ebenso schön sein wie ihre Mutter.
Unwillkürlich kehrte sein Blick zu Kathryn zurück. Sie lag auf der Seite zusammengerollt und schlief wie ein unschuldiges Kind. Ihre Wangen waren rosa überhaucht und ihre Lippen wie von Sommertau benetzt. Guy fühlte, wie sein Körper auf diesen verlockenden Anblick reagierte, und sein gefaßter Entschluß geriet ins Wanken.
Sie ist nicht unschuldig! mahnte er sich ungehalten. Meister-lich beherrschte sie alle weiblichen Verführungskünste und zog ihn immer tiefer in ihren Bann.
Sein Lächeln erstarb. Mit düsterem Gesicht wandte er sich ab. Er hatte schließlich einen Grund für sein frühes Aufstehen, und von seiner Absicht wollte er sich auf gar keinen Fall abbringen lassen, so groß die Versuchung auch war.
Als er wenig später die große Halle betrat, herrschte zu seiner Überraschung dort schon Geschäftigkeit. Der überwiegen Teil von Rodericks Gefolgsleuten saß reisefertig gekleidet bei Morgenmahl. Guy nahm das mit größter Freude zur Kenntnis, Er hatte nämlich vorgehabt, Roderick mit Nachdruck zur Wei-terreise zu veranlassen, doch das war ja nun offensichtlich gar nicht mehr nötig.
„Herr!" rief ihm der Mann zum Gruß entgegen, um den sich seine Gedanken drehten.
Guy blieb stehen, wo er war; seine lässige Haltung täuschte über die Spannung hinweg, die in seinem Inneren herrschte.
„Sir Roderick", erwiderte er den Gruß. „Ihr brecht heute nach Warwickshire auf?"
„So ist es, Herr . . . "
Es schien, als wollte Roderick noch etwas hinzufügen. Guy wartete und seine Miene war abweisend, denn seine Abneigung gegen den Mann hatte sich schon seit langem zu tiefem Haß ge-steigert.
„Herr, falls ich durch irgend etwas Euer Mißfallen erregt haben sollte, so täte es mir aufrichtig leid."
„So?" Das klang recht hochmütig. Es war nicht zu verkennen, daß Guy den Ritter nur gerade so eben tolerierte.
Roderick war das unbehaglich. „Herr, ich spreche die Wahrheit. Was vor Zeiten zwischen mir und der Lady Kathryn bestand, ist vorbei und vergangen. Ich habe mich längst damit ab-gefunden, daß sie Eure Gemahlin ist, und ich will keinesfalls der Anlaß für irgendwelche Schwierigkeiten zwischen Euch und ihr sein."
„Sir Roderick", versetzte Guy leise, „hättet Ihr durch irgend etwas gezeigt, daß Ihr meine Gemahlin begehrt, würdet Ihr jetzt nicht mehr vor mir stehen." Seine Stimme klang ausgesprochen freundlich, und er lächelte sogar. Es dauerte einen Moment, bis Roderick begriff, welche Drohung soeben ausgestoßen worden war.
„Mir ist mein Leben durchaus lieb", sagte er steif. „So wie Euch Eures auch lieb sein sollte."
Guy gewann nur flüchtig den Eindruck, als läge etwas Unheilvolles in dieser Bemerkung, doch bevor einer von ihnen noch etwas äußern konnte, wurde Roderick von einem seiner 1
Männer in den Burghof gerufen, und wenige Minuten später ritten er und seine Leute zum Tor hinaus.
Der Earl beobachtete das Schauspiel mit Genugtuung. Er lä-
chelte, und das war das erste wirklich erfreute Lächeln dieses Tages. Er bedauerte den Aufbruch seines Gastes nicht im geringsten.
Kathryn würde es vermutlich anders empfinden.
Als Kathryn einige
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