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Geliebter Feind

Geliebter Feind

Titel: Geliebter Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
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Schlafengehen ihr langes Haar, als an die Tür geklopft wurde.
    Eine Störung zu dieser späten Stunde war ungewöhnlich. „Wer ist da?" rief sie.
    „Sir Michael", kam die Antwort von draußen.
    Was? Hatte der Earl jetzt etwa auch noch beschlossen, nachts einen Posten vor ihrem Gemach aufzustellen? Kathryn öffnete die Tür einen Spaltbreit und blickte dem jungen Ritter argwöhnisch entgegen.
    „Vergebt mir die späte Störung", bat er höflich und mit einem entschuldigenden Lächeln. „Der Herr wünscht, daß Ihr in sein Gemach kommt."
    Kathryn war dem Earl heute beim Nachtmahl nicht begegnet, und sie konnte sich nur einen einzigen Grund für diesen „Wunsch" vorstellen. Die Arroganz des Herrn kannte tatsächlich keine Grenzen!
    Schon wollte sie zu einer bissigen Ablehnung ansetzen, als Sir Michael ihre zornroten Wangen bemerkte.
    „Es hat einen kleinen Unfall gegeben, Herrin", erläuterte er rasch. „Der Earl benötigt Eure Hilfe."
    Diese Erläuterung besänftigte Kathryn auch nicht besonders.
    Falls sie allerdings ablehnte, würde Guy de Marche sie ohne jeden Zweifel holen kommen. Also neigte sie den Kopf ein wenig und trat zu Sir Michael in den Flur hinaus. Der junge Ritter begleitete sie zum Herrengemach, ließ sie eintreten und zog sich dann zurück.
    Zuerst bemerkte sie den Earl im Licht der in den Wandhaltern flackernden Kerzen gar nicht, doch dann sah sie ihn auf einem Stuhl vor dem Feuer sitzen. Die langen Beine hatte er vor sich ausgestreckt.
    „Herr, Ihr habt mich zu Euch befohlen?" fragte sie so formell wie möglich.
    „So ist es, Kathryn." Er machte eine kleine Pause. „Kommt her."
    Sie schleppte sich vorwärts, als bestünden ihre Beine aus wei-chem Wachs. In einigem Abstand vor ihm blieb sie stehen und sah, daß er sie reichlich merkwürdig anschaute.
    „Seid bitte so freundlich und macht nicht so ein Gesicht wie ein armes Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird", bat er mit einem ungewöhnlichen Anflug von Humor. „Ich gebe zu, daß ich dringend der zarten Hand einer Frau bedarf; im Augenblick freilich benötige ich ausschließlich Eure Künste im Um-gang mit Nadel und Faden."
    Er drehte sich ein wenig zur Seite und deutete mit dem Kopf auf seine rechte Schulter, an der eine große Wunde klaffte. Der tiefe Schnitt war mindestens so lang wie eine Hand. Zwar war er offensichtlich schon gereinigt worden, doch er blutete noch immer heftig.
    „Die verdammte Wunde hört nicht auf zu bluten. Ich glaube, das wird sie auch erst tun, wenn sie vernäht ist."
    Kathryn erschrak. „Ihr wollt, daß ich sie . . . zunähe?"
    Das Entsetzen über dieses Ansinnen war ihr anzuhören, doch darauf konnte Guy jetzt keine Rücksicht nehmen. „Jawohl", antwortete er nur.
    „So etwas habe ich noch nie getan!"
    „Gerda sagt, Ihr seid recht geschickt mit der Nadel. Wahrscheinlich könnt Ihr eine sauberere Naht ausführen als mein Knappe. Falls Ihr es freilich nicht tun wollt, dann muß ich mich leider ihm anvertrauen."
    Er lächelte ein bißchen schief. „Seht es als eine Möglichkeit an, mich zu quälen, Kathryn. Ihr dürft nach Herzenslust piken und stechen, und ich werde es nicht wagen, auch nur ein einziges Wort dagegen zu äußern."
    „Ich nehme Euch beim Wort", versetzte sie leise. Sie eilte in ihr Gemach und kehrte einen Augenblick danach mit Nadel und Faden zurück. Guy de Marche hatte sich inzwischen nicht von der Stelle gerührt.
    Seine Tunika lag über seinen Knien; er trug nur Beinlinge und Stiefel. Kathryn bemühte sich, nicht auf den breiten, nackten und behaarten Oberkörper zu schauen. Sie wollte nur ihren Auftrag gut und schnell ausführen und dann wieder in die Sicherheit ihres eigenen Gemachs zurückkehren.
    „Wie ist es eigentlich zu der Verletzung gekommen?" erkundigte sie sich.
    „Im Wald begegneten wir einigen Wilddieben. Einer von ihnen fand wohl, er sollte mir meinen Waffenarm stehlen."
    Wilddiebe, keine Wegelagerer . . . Kathryn konnte es nicht ändern, daß sie das ein wenig enttäuschte. Es ärgerte sie nämlich noch immer, daß man keine Spur von den Verbrechern entdeckt hatte, denen sie seinerzeit im Wald begegnet war. Nach dem Schicksal der Wilddiebe erkundigte sie sich gar nicht erst. Sie bezweifelte nicht, daß der Ruf des Earls of Sedgewick als tüchtiger Krieger wohlverdient war.
    Trotz seiner lässigen Haltung strahlte er Macht und reine Kraft aus. Seine Schultern wirkten unwahrscheinlich breit, und sein Bizeps wölbte sich. Wenn Kathryn daran dachte, daß sie gleich mit

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