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Geliebter Feind

Geliebter Feind

Titel: Geliebter Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
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weiter.
    Kathryn wurde vom Boden hochgezogen wie eine Henne von ihrem Nest. Das war ein wahrhaft böses Erwachen!
    „Ich wußte ja gar nicht, daß Ihr schon zurückgekehrt seid", sagte sie erschrocken.
    „Offensichtlich zu früh für Eure Fluchtabsichten", entgegnete er zornig. „Hattet Ihr tatsächlich geglaubt, Ihr könntet mir entkommen - und auch noch meinen Sohn mitnehmen?"
    Bestürzt blickte sie ihn an. „Was sagt Ihr da? Ihr könnt doch nicht im Ernst glauben, daß ich . . . "
    Er packte sie hart beim Arm. „Schweigt, Madam. Bei Gott, ich kann für meinen Zorn jetzt nicht einstehen!" Er zerrte sie ins Freie, wo seine Männer warteten, und setzte sie so hart auf Esmeralda, daß ihre Zähne zusammenschlugen.
    Es dauerte länger als anderthalb Stunden, bevor sie Sedgewick erreichten. Kathryn ritt hocherhobenen Hauptes und hielt den Rücken so kerzengerade, daß sie beinahe befürchtete, er könnte womöglich durchbrechen. Während der ganzen Zeit fiel kein einziges Wort.
    Bedienstete erwarteten die Ankommenden im Burghof, unter ihnen Gerda. Ihr reichte der Earl Peter in die Arme. Kathryn mochte das Mädchen nicht ansehen, weil sie dessen vorwurfs-vollen Gesichtsausdruck fürchtete. Ohne fremde Hilfe saß sie ab. Schon im nächsten Augenblick berührte jemand ihre Schulter. Es war Gerda.
    „Ist Euch auch nichts geschehen?" fragte die junge Magd besorgt.
    „Nein." Mehr konnte Kathryn nicht sagen, denn ihr Hals war wie zugeschnürt. Sie drückte dem wartenden Pferdeknecht die Zügel in die Hand, drehte sich um und eilte zur Treppe.
    Eine Stimme wie ein Peitschenhieb hielt sie mitten im Schritt auf. „Wohin, Madam?"
    Kathryn wurde es übel vor Angst. Was jetzt kommt, überstehe ich nicht, dachte sie. Sie war erschöpft, hatte Hunger und fror.
    Bewegungslos wie eine Statue wartete sie, daß der Earl herankam. Ohne in seinem Schritt zu stocken, faßte er sie beim Ellbogen und zog sie mit sich vorwärts.
    Kathryn entwand ihm ihren Arm. „Es besteht keinerlei Grund, mich über den Hof zu zerren", zischte sie.
    Er starrte sie wütend an, hielt sie jedoch nicht mehr fest. Seinen Weg setzte er mit so schnellen Schritten fort, daß sie sich sehr anstrengen mußte, um nicht zurückzubleiben. Bis sie im Amtsgemach angelangt waren, hatte sie schon längst Seitenste-chen.
    Vor dem langen, breiten Tisch blieb sie stehen, während der Earl an dessen andere Seite trat und die Hände auf die Tischplatte stützte. „Nun, Madam?" fragte er barsch. „Was habt Ihr zu sagen?"
    Kathryn preßte die Lippen fest zusammen. Guy de Marche hatte ja auf alle Fragen eine Antwort - sollte er sie sich doch selber geben!
    „Was? Ist Euer Gedächtnis so kurz? Oder benötigt Ihr mehr Zeit, um Euch eine passende Geschichte auszudenken?"
    Ständig verspottete er sie, und ständig unterstellte er ihr Bö-
    ses. Weshalb sollte sie da noch versuchen, irgend etwas zu erklä-
    ren.
    „Nun, Madame wie sah Euer Plan aus?"
    Diesem stahlharten, herausfordernden Blick hielt sie nicht mehr länger stand. „Es gab keinen Plan", antwortete sie ärgerlich. „Peter und ich waren am Bach. Wir beschlossen, zum nächsten Hügel zu reiten, doch so weit kamen wir nicht. Unterwegs wären wir beinahe einigen Männern begegnet, einer Bande von Wegelagerern kam die Landstraße entlang . . . "
    „Wegelagerer!" Er lächelte scheinbar erheitert. „Meine Länder sind bestens bewacht, Kathryn. Darauf bin ich sogar recht stolz. Gäbe es hier in der Nähe Wegelagerer, hätten meine Leute sie schon längst unschädlich gemacht."
    Seine Überheblichkeit erschütterte sie doch immer wieder!
    „Ihr glaubt, Ihr wißt so viel, und dabei wißt Ihr überhaupt nichts. Ich bin tiefer in den Wald hineingeritten, damit die Schurken nicht auf uns trafen. Als es dann dunkel wurde, merkte ich, daß ich den Weg nach Sedgewick bei Nacht nicht finden würde. Wir entdeckten die Hütte, und ich hielt es für das beste, dort zu übernachten und am Morgen den Rückweg zur Burg anzutreten."
    Der Earl schwieg beharrlich. Kathryn hätte ihn am liebsten wütend angeschrien. „Ich habe schließlich gehört, was die Leute sagten!" rief sie. „Sechs waren es, und sie konnten sich zuerst nicht darauf einigen, ob sie das Dorf Sedgewick überfallen oder nach Norden weiterreiten sollten."
    „Nun, wie Ihr sehen könnt, Kathryn, ist dem Dorf nichts geschehen."
    „Dann werden die Wegelagerer eben den Weiterritt nach Norden beschlossen haben."
    Guy de Marche lächelte noch immer so spöttisch.

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