Geliebter Freibeuter
die Heimreise benötigen. Wir konnten sogar unbehelligt die Schäden am Schiff reparieren.«
»Sehr außergewöhnlich …« Captain Carrick murmelte die Worte vor sich hin und schüttelte verständnislos den Kopf.
Unter der Besatzung machte sich Unruhe breit. Eloise hörte, wie einer der Matrosen sagte, dass sich der niederländische Captain sicher geirrt haben musste und es sich nicht um Dark Flynn handelte. Vorsichtig verließ Eloise ihr Versteck und schlich sich wieder unter Deck. Sie hatte genug gehört. Auf der einen Seite waren die Nachrichten äußerst beunruhigend, andererseits jedoch versetzte es sie in eine Art von angespannter Erwartung, zu wissen, dass der Mann, den sie auf dieser Welt am meisten hasste und verabscheute, ganz in ihrer Nähe war.
Als sie ihre Kajüte betrat, verhielt sie sich völlig unbefangen. Sie wollte Kate nicht beunruhigen, daher sagte sie nur beiläufig: »Ich hatte recht, es ist ein niederländisches Handelsschiff auf dem Weg nach Hause. Kein Grund zur Sorge, Kate.«
Wenig später kam Captain Carrick zu den Damen und bestätigte Eloises Worte.
»Bitte entschuldigt, dass ich zu Vorsichtsmaßnahmengreifen musste, aber sicher ist sicher.« Er sah Eloise um Verzeihung bittend an.
Mit keiner Silbe erwähnte er den Überfall auf die
Marejke
, und Eloise ließ sich nicht anmerken, dass sie den Wortwechsel belauscht hatte, als sie mit einem engelsgleichen unschuldigen Augenaufschlag bemerkte: »Dann sind die Gewässer hier sicher, Captain? Das Schiff hat keine Piraten gesichtet?«
Captain Carrick hatte sich gut unter Kontrolle, denn nur kurz zuckte sein Augenlid, bevor er ruhig und bestimmt erwiderte: »Ich versichere Euch, wir sind nicht in Gefahr. Wenn das Wetter hält und wir weiter gut vor dem Wind segeln können, werden wir Jamaika in ungefähr sieben bis acht Tagen erreichen.«
»Ach, wie schön!« Seufzend presste Kate beide Hände auf ihre Brust. »Versteht mich nicht falsch, Captain, wir sind Euch für Eure Gastfreundschaft sehr dankbar, aber ich sehne mich danach, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.«
Der Captain lächelte entspannt und schenkte beiden Frauen Wein nach, dann wechselte er das Thema und erzählte von einer früheren Reise, bei der er einen Blauwal gesichtet hatte. Allerdings bemerkte Eloise, die den Captain genau beobachtete, eine leichte Unruhe, die er vor ihr nicht vollständig verbergen konnte.
Als sich der Captain gegen zehn Uhr verabschiedete, um auf der Brücke nach dem Rechten zu sehen, schenkte sich Eloise nochmals Wein nach, obwohl sie sonst nie mehr als zwei Gläser trank. Nachdenklich starrte sie in die Flüssigkeit, die rot wie Blut war.
»Was ist mir dir?« Kate sah sie besorgt an, und Eloise konnte ihr Wissen nicht länger für sich behalten.
»Captain Carrick hat uns angeschwindelt«, entgegnete sie ernst. »Das niederländische Schiff ist vor wenigen Tagen von Piraten überfallen und ausgeraubt worden.« Sie machte eine Pause und sah Kate fest in die Augen. »Es soll sich um den Freibeuter Dark Flynn gehandelt haben.«
»Dark Flynn?« Erschrocken schlug Kate eine Hand vor den Mund. »Der Dark Flynn, der …«
»Ryan ermordet hat, ja!«, vollendete Eloise den Satz. »Ich hasse und verabscheue diesen Menschen mehr als irgendjemanden sonst auf dieser Welt. Er hat mein Leben zerstört.«
Kate sprang auf, trat hinter Eloise und legte ihre Arme um ihre Schultern.
»Ach, mein armes Mädchen …«
Sie wusste nicht, was sie ihr zum Trost sagen sollte. Es schmerzte Kate, zu sehen, wie ihr Schützling immer noch litt, und sie hätte diesen Schmerz gern von ihr genommen. Dennoch konnte Kate nicht ganz nachvollziehen, dass Eloise nach so vielen Jahren ihre Jugendliebe nicht vergessen konnte. Sie und Ryan waren noch halbe Kinder gewesen, als sie ihre Liebe zueinander entdeckten. Jetzt war Eloise eine erwachsene Frau, die auf dem Weg zu ihrem Verlobten war und diesen in wenigen Wochen heiraten würde. Wie sollte Eloise eine gute Ehefrau werden, wenn ihr Herz immer noch von der Liebe zu einem anderen Mann erfüllt war? Einem Mann, der seit zehn Jahren tot war und den sie niemals wiedersehen würde?
Als sie später in ihrer Koje lag und die Vorhänge geschlossen hatte, starrte Eloise in die Dunkelheit. Die Schiffsplanken ächzten und stöhnten, die Wellen schlugen gegen die Bordwand, und manchmal drangen leise die Stimmen der Matrosen der Nachtwache in die Kajüte. Acht Tage, hatte derCaptain gesagt. In acht Tagen würde sie
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