Geliebter Freibeuter
David Morgan gegenüberstehen, und ihr Leben würde sich radikal ändern. Dann musste sie Ryan vergessen, durfte nicht einmal mehr an seinen Namen denken.
»Ach, Ryan«, flüsterte Eloise in die Dunkelheit. »Wenn ich dich doch nur noch ein Mal, ein einziges Mal sehen und dir sagen könnte, wie sehr ich dich liebe …«
Auch Kate schlief noch nicht, und sie hörte Eloises leise Worte. Das Herz wurde ihr dabei schwer. Vielleicht wäre es für Eloise besser gewesen, niemals zu heiraten. Es gab Menschen, die erlebten nur ein einziges Mal in ihrem Leben die richtig große und wahre Liebe. Offenbar war Eloise so ein Mensch. Wahrscheinlich wäre sie allein glücklicher geworden, aber nun war es zu spät …
Noch vier, höchstens fünf Tage, und sie würden die Karibikinsel Jamaika am Horizont sichten. Unter der Mannschaft machte sich freudige Unruhe breit.
»Als Erstes saufe ich ein Fass Rum allein aus«, rief einer, und ein Zweiter klopfte ihm kräftig auf die Schulter und lachte.
»Und ich hoffe, mein Mädchen hat sich inzwischen nicht jemand anderen gesucht, sondern erwartet mich sehnsuchtsvoll. Ihr werdet mich dann drei Tage und Nächte nicht zu Gesicht bekommen, das schwöre ich.«
Kate errötete bei solch derben Worten, aber Eloise entlockten sie ein Schmunzeln. Mochten die Matrosen auf den ersten Blick auch ungeschlachte und einfache Männer sein, sie waren mutig und tapfer und hatten Kate und Eloise während der gesamten Reise mit Höflichkeit und Respekt behandelt, wenn ein Aufeinandertreffen unvermeidlich gewesen war.
Am Spätnachmittag dieses Tages erklang vom Ausguck der Ruf: »Segel Backbord voraus!«
Eloise, die sich mit Kate an Deck befand, blickte in die Richtung, und tatsächlich – ein großes Schiff hielt direkt auf sie zu. Erneut brach an Bord hektische Betriebsamkeit aus, wenngleich keine Panik zu bemerken war. Auch Eloise war ganz ruhig; sicherlich handelte es sich um ein weiteres Handelsschiff wie vor einigen Tagen die
Marejke
. Captain Carrick trat zu ihr und sagte: »Keine Angst, Miss Gilbert, in der Nähe der Inseln werden Piraten keinen Überfall wagen, trotzdem bitte ich Euch, Euch in die Kajüte zu begeben. Es ist nur zu Eurer Sicherheit.«
Eloise blickte ihn erstaunt an.
»Ich habe keine Angst, Captain«, entgegnete sie ruhig. »Wie der Niederländer wird es ein Handelssegler sein. Wir sind doch nun in einer Gegend mit regem Schiffsverkehr, oder?«
Der Captain nickte, dennoch wirkte sein Gesichtsausdruck angespannt.
»Komm, Mädchen, wir gehen unter Deck.« Kate nahm Eloises Arm. Auch sie hatte keine Angst, fand es nur bedauerlich, auf die frische Luft an Deck verzichten zu müssen. Inzwischen herrschten nämlich sehr hohe Temperaturen, und selbst in der großzügig geschnittenen Kapitänskajüte war es heiß und stickig.
Sie waren erst wenige Minuten in der Kajüte, als Eloise merkte, dass etwas nicht stimmte. Scharfe Befehle hallten übers Deck, dumpfe Geräusche erklangen, Luken knarrten, Ketten rasselten, und ein Mal konnten die beiden Frauen die Worte: »Die Kanonen klarmachen!« verstehen. »Alle Mann auf Gefechtsposition!«
Kate erbleichte.
»Was hat das zu bedeuten?«
Auch Eloises Herz begann schneller zu schlagen. Wenn der Segler ein einfaches Handelsschiff wäre, gäbe es wohl keinen Grund, die Kanonenluken zu öffnen.
»Ich gehe nachschauen …«
»Nein, dieses Mal nicht!« Kate war schneller und umklammerte Eloises Oberarm, als diese die Tür öffnen wollte. »Wir bleiben hier unten und warten ab. Vielleicht ist doch alles harmlos …«
Seufzend ließ sich Eloise auf einen Stuhl fallen. Sie glaubte nicht an eine harmlose Begegnung, denn die Hektik an Bord wurde immer größer, und die Stimmen wurden immer lauter. Einen Moment später klopfte es an der Tür. Eloise zuckte zusammen.
»Wer ist da?«
»Fenston, Mylady.«
Mit einem Satz war Eloise an der Tür und öffnete sie. Das Gesicht des Ersten Offiziers war vor Anspannung verzerrt.
»Was geht vor sich?«, fragte Eloise erwartungsvoll.
»Der Captain schickt mich. Ich muss Euch bitten, Eure Kabine unter keinen Umständen zu verlassen, gleichgültig, was geschieht.«
»Sind es … Piraten?« Kate stieß die Frage keuchend aus.
Fenston zögerte nur kurz, dann nickte er.
»Wir haben Grund zur Annahme, dass sich der Segler uns nicht in friedlicher Absicht nähert. Zur Sicherheit hat der Captain befohlen, die Geschütze klarzumachen. Ihr braucht Euch nicht zu sorgen, die
Queen Beth
ist gut bewaffnet.
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