Geliebter Freibeuter
ihren Arm, dann verließen sie das Zimmer.
Hatte Eloise am Tag vorher einen ersten Eindruck vom Gesundheitszustand der befreiten Sklaven erhalten, so erschütterte es sie zutiefst, als sie die Kranken pflegte. Mahmadou und andere Schwarze, die auf Mantana Island lebten und Englisch sprachen, konnten sich mit den Afrikanern verständigen, auch wenn jeder Stamm einen eigenen Dialekt hatte. So erfuhr Eloise die näheren Umstände des Sklavenhandels, und jedes Wort, das sie hörte, schnitt ihr wie ein scharfes Messer ins Herz. Wenn auch ihre Hautfarbe schwarz war, so waren es doch Menschen wie sie. Wie konnte es sein, dass eine Regierung Weißen das Recht gab, diese schwarzen Menschen zu versklaven und schlechter als Vieh zu behandeln? Immer wieder presste Eloise ihre Lippen vor Zorn zusammen, wenn sie Verbände wechselte, die Peitschenwunden verdeckte oder wenn sie in die Augen von jungen Mädchen, fast noch Kindern, schaute, in denen Panik und pure Angst standen.
Für Eloise verflog die Zeit im Nu. Sie hatte keinen Hunger, aber sie trank regelmäßig, denn in den Hütten war es sehrheiß und stickig. Das Kleid klebte an ihrem Körper, ihre Frisur hatte sich längst aufgelöst, und zahlreiche Locken fielen in ihren vom Schweiß feuchten Nacken. Eloises Wangen waren gerötet und auch nicht mehr ganz sauber, aber sie arbeitete wie alle anderen auch.
Sie hatte Dark Flynn nicht eintreten hören und erschrak, als sie plötzlich hinter ihrem Rücken seine Stimme vernahm.
»Lady Eloise, was in drei Teufels Namen macht Ihr hier?«
Sie drehte sich um und hob entschlossen das Kinn.
»Helfen, so wie alle christlichen Menschen diesen armen Wesen helfen sollten.«
»Das ist keine Arbeit für Euch!«
Sie machte eine raumgreifende Handbewegung und unterbrach Flynn.
»Hier wird jede helfende Hand gebraucht, das wisst Ihr selbst am besten, Captain. Ich bin nicht aus Zucker und kann durchaus arbeiten.«
»Das habe ich bereits bemerkt«, murmelte Flynn so leise, dass Eloise die Worte nicht verstehen konnte. Lauter fuhr er fort: »Dann seid Ihr bereit, zu glauben, dass meine Männer und ich diesen Menschen hier nichts Böses wollen?«
Eloise zögerte. Machte er sich wieder über sie lustig? Sie wusste, es wäre angebracht, sich für ihre gestrigen harschen Worte zu entschuldigen, aber das brachte sie nun doch nicht über sich. Darum wandte sie sich von Flynn ab, griff nach einem frisch gewaschen Streifen Leinen, der zu einer Binde gerollt werden musste, und sagte: »Ich habe zu tun, Captain.«
Sie konnte sein leises Lachen hören.
»Interessiert es Euch denn gar nicht, ob ich veranlasst habe, dass man Morgan, Euren Verlobten, informiert? Jetzt, da ich leider erfahren musste, wem Euer Herz gehört.«
Hitze schoss Eloise in die Wangen. Zum Glück stand sie mit dem Rücken zu Flynn, so dass er ihre Verlegenheit nicht sehen konnte. Gleichgültigkeit vortäuschend murmelte sie:
»Ihr werdet sicher sofort dafür gesorgt haben, dass man Sir David eine entsprechende Lösegeldforderung zukommen lässt, denn Ihr wollt bestimmt nicht länger als unbedingt nötig auf das Geld warten.«
Ein erneutes Lachen. In Eloises Ohren klang es arrogant und spöttisch.
»Aus Euch werde ich nicht schlau, Lady Eloise, darum würde ich Euch gerne besser kennenlernen. Habt Ihr Lust, mit mir auszureiten? Ich würde Euch gerne meine Insel zeigen.«
»Was?« Wie von der Tarantel gestochen fuhr Eloise herum.
»Ihr könnt doch reiten, oder?« Skeptisch musterten Flynns hinter der Maske verborgenen Augen ihre grazile Gestalt.
»Natürlich kann ich reiten«, entgegnete Eloise. »Aber warum sollte ich mit
Euch
ausreiten, als würde es sich hier um eine Landpartie handeln?« Nun stieß auch Eloise einen spöttischen Laut aus. »Der Gefängniswärter lässt sich zu einem Ausflug mit der Gefangenen herab … das klingt wie eine Passage aus einem Roman, Captain.«
Er ging auf ihre Worte nicht ein, stattdessen erwiderte er so ernst, wie Eloise ihn nie zuvor gehört hatte: »Was hat Euch so bitter gemacht, Lady Eloise?«
Sie zuckte zurück, als hätte er die Hand gegen sie erhoben.
»Das fragt ausgerechnet Ihr, Captain Dark Flynn?« Verständnislos haftete ihr Blick auf seiner Maske, und sie wünschte sich, ihm das Stoffding einfach vom Gesicht reißen zu können. »Auch wenn Ihr Euch heute als barmherziger Samariter und Lebensretter betätigt, auch wenn das, was Ihr jetzt tut, den Anschein des Guten hat, werde ich nie vergessen, was Ihr früher für
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