Geliebter Freibeuter
durch. Eloise beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Hoch aufgerichtet saß er im Sattel, das energische Kinn stolz erhoben und den Blick in die Ferne gerichtet, sah er aus wie ein König. Das war gar nicht so abwegig, denn hier auf Mantana Island war er der König, ebenso wie er auf seinem Schiff mit eiserner, aber gerechter Hand regierte. Und plötzlich erkannte Eloise, dass das genau das Richtige für Flynn war. Er war für dieses Leben geboren.
»Kommt, ich möchte Euch noch einen ganz besonderen Ort zeigen«, unterbrach er ihre Gedanken, die sie zutiefst verwirrten.
Die Pferde stiegen den Berg langsam und vorsichtig bis auf halbe Höhe hinab, dann führte ein schmaler Pfad in den dichten Wald aus meterhohen, immergrünen Pflanzen, dieEloise unbekannt waren. Flynn zügelte sein Pferd und stieg ab. Erneut ignorierte Eloise seine helfende Hand und glitt aus dem Sattel.
»Folgt mir!«, sagte er und tauchte im grünen Dickicht unter.
Eloise raffte ihren Rock, damit er nicht an den Sträuchern hängen blieb. Was hatte er vor? Wohin führte Flynn sie? Sie musste nur wenige Schritte gehen, dann stieß sie vor Überraschung einen leisen Schrei aus. Mitten im Wald befand sich ein Wasserfall, dessen türkisgrünes Wasser sich in einem kleinen, ovalen Becken sammelte und von einer Farbintensität war, die Eloise nie zuvor gesehen hatte. Bis auf die Stelle, an der sie standen, war das Ufer dicht mit Westindischen Zedrelen bewachsen, deren Unterholz unzählige Tiere beherbergte, von denen einige, durch die überraschende Störung aufgeschreckt, in den Wald hineinliefen. Direkt neben Eloise befand sich ein mannshoher Strauch mit kleinen, fleischig-grünen Blättern und zartrosaroten Blüten, die einen betörenden Duft verströmten, ein Duft, der eine Mischung aus Rosen und Jasmin war und Eloise sofort als den, der in ihrem Zimmer vorherrschte, erkannte. Sie konnte nicht widerstehen, hielt ihre Nase an eine der Blüten und sog den Duft tief ein.
»Was ist das für eine Blume?«, fragte sie.
Flynn zuckte mit den Schultern.
»Wenn Ihr den Namen wissen wollt, so muss ich passen, aber diese blühenden und duftenden Sträucher findet man überall auf den karibischen Inseln. Betty stellt daraus Duftöle und Badeessenzen her.«
Eloise nickte verstehend und sah sich das kleine Idyll an. Das Wasser rauschte in das Becken, und hier und da zwitscherte ein Vogel über ihren Köpfen.
»So muss das Paradies aussehen!« Die Worte waren Eloise unbedacht entschlüpft.
»Nun ja, leider gibt es hier keinen Apfelbaum …«, konterte Flynn prompt.
»Ich vermisse keinen Apfel«, gab Eloise zurück, und bevor Flynn antwortete, ahnte Eloise, was er sagen wollte.
»Ihr könntet mich mit einem Apfel in Versuchung führen.«
Eloise, sonst selten um eine Antwort verlegen, verschlug es die Sprache. Sie keuchte und stieß dann hervor: »Lasst Eure Späße und hört endlich auf, Euch über mich lustig zu machen!«
Er lächelte und antwortete leise: »Es steht mir nicht der Sinn nach Späßen, Lady Eloise. Wenn ich Euch in dieser Umgebung sehe, dann scheint es mir, als wäre es wirklich der Garten Eden und Ihr Eva und ich …«
»Sicher nicht Adam!« Eloise hatte ihre Beherrschung wiedergefunden und wandte sich ab. »Ich möchte sofort zurückreiten.«
»Eloise, wartet.« Seine Stimme klang ungewöhnlich sanft, und Eloise zuckte nicht zusammen, als sich Flynns Hand leicht auf ihre Schulter legte.
Sie zögerte. Ihre Beine schienen plötzlich aus Blei zu sein. Sie wollte diesen verzauberten Ort nicht verlassen … sie wollte Flynn nicht verlassen … Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag, und sie stöhnte laut auf. Weder ihr Willen noch ihr Körper wehrten sich, als Flynn sie langsam zu sich herumdrehte und sein maskiertes Gesicht nur noch eine Handbreit von ihrem entfernt war. Zum ersten Mal roch sie den herben, männlichen Duft, eine Mischung aus Tabak und Pferden, der Flynn umgab, und sie blickte durch die Schlitzeder Maske in seine schwarzen Augen, die wie Samt schimmerten. Seine vollen Lippen näherten sich Eloises, und sie sehnte sich danach, dass diese Lippen die ihren berührten. Sie hob eine Hand und legte diese auf seinen Rücken. Flynn erschauerte unter der Berührung, wie Eloise mit einem Glücksgefühl feststellte. Vorsichtig tasteten sich ihre Finger nach oben, fühlten die lange, wulstige Narbe, und neben Zärtlichkeit durchflutete sie das Gefühl von Mitleid.
»Wie ist das geschehen?«, flüsterte sie heiser.
»Es war ein
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