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Geliebter Freibeuter

Geliebter Freibeuter

Titel: Geliebter Freibeuter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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ging es nun zu wie in einer betriebsamen Stadt. Dutzende Menschen, es waren sicher achtzig oder neunzig, liefen aufgeregt umher – jeder schien genau zu wissen, was zu tun war. Am erstaunlichsten für Eloise waren jedoch die zahlreichen schwarzen Menschen – Frauen, Männer und auch Kinder. Diese waren in Fetzen eingehüllt, die man kaum als Kleidung, nicht einmal als Lumpen bezeichnen konnte, und sie waren schrecklich abgemagert und schmutzig. Eloise erkannte an den meisten Körpern blutige Verletzungen oder eitrige Geschwüre und Ausschläge. Ihr Erstaunen wandelte sich schlagartig in Mitleid. Wer waren diese armseligen Kreaturen, die aussahen, als hätten sie seit Wochen nicht mehr ausreichend zu essen bekommen?
    Niemand kümmerte sich um Eloise, als sie auf die erste Hütte zuging und diese betrat. Sie hielt nach Captain Flynn Ausschau, konnte ihn aber nirgends ausmachen. In der Hütte war jede Pritsche belegt. Fünf Frauen, darunter Betty und zu Eloises grenzenlosem Erstaunen auch Kate, wuschen die abgemagerten und geschundenen Menschen und flößten ihnen vorsichtig heiße Suppe ein. Der Gestank war unbeschreiblich, trotzdem rührte sich Eloise nicht von der Stelle. Wo kamen die vielen Schwarzen her? Warum waren sie allesamt in einem solch erbärmlichen Zustand? Und was hatte das mit der Ankunft der
Liberty
zu tun? Wenigstens war Eloise nun die Bedeutung der Hüttensiedlung klargeworden.
    Eine Hand legte sich schwer auf Eloises Schulter. Mit einem Schrei fuhr sie herum und blickte in zwei kohlschwarze Augen, die sie besorgt musterten.
    »Das ist kein Platz für eine Lady«, sagte Captain Flynn und versuchte, Eloise aus der Hütte zu führen.
    Sie schüttelte seine Hand ab und sah erst jetzt, dass das Hemd des Captains schmutzig und zerrissen war und er um den linken Unterarm einen wenig sauberen Verband trug.
    »Ihr seid verletzt«, war das Erste, was ihr einfiel, dabei wirbelten die Gedanken in ihrem Kopf durcheinander.
    Flynn winkte ab.
    »Das ist nur ein Kratzer, kaum der Rede wert. Kommt, Mylady, ich begleite Euch hinaus.«
    »Was sind das für Menschen?« Eloise ignorierte seine Hand. »Wo kommen sie her? Habt Ihr sie so zugerichtet?«
    Flynn stieß ein spöttisches Lachen aus, in dem eine Spur Bitterkeit mitschwang.
    »Das würde mir ähnlich sehen, nicht wahr? Dass ich diese Menschen misshandelt habe – genau das würde doch zu dem Bild passen, dass Ihr Euch von mir gemacht habe, Lady Eloise.«
    Durch die Schlitze in der Maske konnte Eloise seine Augen funkeln sehen und merkte, wie betroffen Flynn war.
    »Wenn ich Euch Unrecht tun sollte, dann ist das nicht meine Absicht, aber was, bitte schön, soll ich denn denken?
Ihr
sagt mir ja nichts, ich weiß nicht, wie lange ich noch Eure Gefangene bleiben soll und was Ihr mit mir vorhabt. Dann fahrt Ihr aufs Meer und kommt offenbar mit Dutzenden von Schwarzen zurück, die allesamt mehr tot als lebendig aussehen. Was habt ihr mit den armen Menschen vor? Wollt Ihr sie umbringen?«
    »Eloise!« Wie ein Schraubstock legten sich die Finger Flynns um Eloises Handgelenk, und er zerrte sie grob ins Freie. Eloise konnte sich nicht dagegen wehren.
    »Ihr tut mir weh!«
    Sein Griff lockerte sich.
    »Das wollte ich nicht, verzeiht, aber Eure Vorwürfe sind so fern jeglicher Realität, dass der Zorn mit mir durchgegangen ist.«
    Wenig damenhaft stampfte Eloise mit dem Fuß auf. Ihre Augen blitzten, und sie stieß hervor: »Dann erklärt es mir! Ihr seid ein Freibeuter und Mörder. Glaubt nicht, ich hätte nicht mitbekommen, dass Ihr vor ein paar Tagen ausgelaufen seid, um ein Handelsschiffzu kapern, ein englisches Schiff dazu noch. Ich denke, Ihr seid selbst Engländer, habt jedoch keine Skrupel, friedliebenden Händlern ihre Waren zu stehlen.«
    Dark Flynn beherrschte sich nur mühsam. Obwohl Eloise vor Wut beinahe platzte, war sie so schön und verführerisch, dass er sie am liebsten in die Arme gezogen und ihre roten Lippen so lange geküsst hätte, bis sie endlich still war. Er stellte sich vor, wie ihr Körper sich nachgiebig und weich an den seinen schmiegen würde … schnell wischte er sich über die Stirn, um diese Gedanken zu vertreiben. Statt Worten der Leidenschaft, die ihm auf der Zunge lagen, sagte er ruhig, aber bestimmt: »Kann es wirklich sein, Lady Eloise, dass Ihr tatsächlich nicht wisst, was das für Menschen sind? Dass Ihr vorgebt zu glauben, englische Handelsschiffe segeln in die Karibik, um Wolle, Stoffe, Gewürze oder sonstige Güter zu

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