Geliebter Fremder
sein Lachen ein und Lara erstarrte vor Widerwillen.
Als sie jedoch sah, wie Hunter in einem unbeobachteten Moment Lonsdale betrachtete, kam es ihr so vor, als ob er den anderen Mann nicht besonders mochte. Was um Himmels willen ging hier vor sich?
Verwirrt blieb Lara am Frühstückstisch sitzen und pickte in den restlichen Erdbeeren herum, während die beiden Männer das Zimmer verließen. Hunter würde sie noch in den Wahnsinn treiben. Sollte sie dem vertrauen, was sie vor Augen hatte, oder ihren widerstreitenden Gefühlen? Es war alles so widersprüchlich. Sie griff nach seiner Kaffeetasse und schloss ihre Hand um das kostbare Porzellan an der Stelle, die auch seine Finger berührt hatten.
Wer ist er?, dachte sie frustriert.
Wie er es angekündigt hatte, fuhr Hunter früh am nächsten Morgen nach London. Er trat in Laras Zimmer, als sie gerade aufwachte. Die Strahlen der Morgensonne drangen durch die Vorhänge und fielen auf ihr Kopfkissen. Sie zuckte erschreckt zusammen, als sie merkte, dass sie nicht allein im Zimmer war, und zog sich die Decke bis ans Kinn.
»Hunter«, sagte sie, die Stimme noch rau vom Schlaf. Als er sich auf die Bettkante setzte, drückte sie sich tief in die Kissen.
Ein Lächeln glitt über sein dunkles Gesicht. »Ich konnte nicht wegfahren, ohne dich wenigstens noch ein letztes Mal zu sehen.«
»Wie lange bleibst du fort?« Sie blinzelte unbehaglich und wagte nicht, sich zu bewegen, als Hunter nach ihrem Zopf griff.
»Höchstens eine Woche.« Er ließ den Zopf über seine Handfläche gleiten und legte ihn dann vorsichtig aufs Kissen zurück. »Du wirkst so behaglich und warm«, murmelte er. »Ich wünschte, ich könnte zu dir unter die Decke schlüpfen.«
Bei dem Gedanken daran krampfte sich ihr das Herz zusammen. »Ich wünsche dir eine gute Reise«, erwiderte sie atemlos. »Auf Wiedersehen.«
Hunter grinste, weil sie ihn so dringend fort wünschte. »Willst du mir keinen Abschiedskuss geben?« Er beugte sich über sie, lächelte in ihr verwirrtes Gesicht und wartete auf eine Antwort. Als sie stumm blieb, lachte er leise und sein nach Kaffee duftender Atem streifte ihr Kinn. »Na gut. Wir setzen es auf die Rechnung. Auf Wiedersehen, meine Liebe.«
Lara spürte, wie er aufstand, wickelte sich aber so lange fest in ihre Decke, bis er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Dann sprang sie aus dem Bett und eilte ans Fenster. Die Hawksworth-Equipage mit ihrem Vierergespann und der auffälligen grüngoldenen Verzierung rollte die von Bäumen gesäumte Auffahrt hinunter.
In ihr tobten widerstreitende Gefühle: Erleichterung über seine Abreise, aber auch ein wenig Traurigkeit. Als Hunter sie das letzte Mal verlassen hatte, hatte sie irgendwie gewusst, dass sie ihn nie wieder sehen würde. Wie war es ihm nur gelungen, nach Hause zurückzukehren?
Kapitel 7
Einen Steinwurf von der reichen Geschäftsgegend des Strand entfernt, gab es zahlreiche Gassen und Straßen, die zu den Elendsvierteln von Londons Unterwelt führten. Dort hausten die Menschen dicht an dicht, ohne Heim, ohne regelmäßiges Einkommen; Ehe oder Familienleben und alles, was mit Moral zu tun hatte, war hier ohne Bedeutung. Die Straßen stanken nach Unrat und waren voller Ratten, deren dunkle Schatten zwischen den Gebäuden hin und her huschten.
Als die letzten Strahlen der Sonne hinter den verfallenen Häusern verschwanden, zwängte sich Hunter grimmig an den Prostituierten, Dieben und Bettlern vorbei, bis er schließlich auf den Marktplatz gelangte, den er gesucht hatte.
Es herrschte reger Betrieb, gestohlenes Fleisch und andere Hehlerwaren wurden verkauft. An primitiven Ständen boten Händler verdorbenes Obst und Gemüse feil.
Eine Erinnerung stieg in ihm auf – wie er über einen indischen Markt spaziert war, der genau so geschäftig gewesen war, nur dass die Gerüche anders gewesen waren: der Duft von Pfefferkörnern und Gewürzen, der schwere Geruch überreifer Mangos, der süßliche Hauch von Mohn und Opium, und all das mit der besonderen Intensität, die dem Osten eigen ist. Er vermisste Kalkutta nicht, aber er vermisste das indische Landleben, die breiten Sandwege, die gesäumt waren von Elefantengras, die dichten Wälder und die stillen Tempel, das träge Wohlsein, das jeden Aspekt des Lebens umfasste.
Die Inder hielten die Engländer für eine unreine Rasse, Fleischesser, Biertrinker, voller fleischlicher Lust und materieller Begierden. Hunter konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, als er sich umsah.
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