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Geliebter Fremder

Geliebter Fremder

Titel: Geliebter Fremder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Die Inder hatten Recht.
    Ein betrunkener Kerl zupfte Hunter am Ärmel und bettelte ihn um eine Münze an. Er schüttelte ihn ungeduldig ab, zumal er genau wusste, dass sich alle Bettler in der Umgebung auf ihn stürzen würden, wenn er auch nur das geringste Mitleid zeigte. Ganz zu schweigen von den Taschendieben, die in Gruppen zusammenstanden und ihn anstarrten wie die Hyänen.
    Gelegentlich wurde der Markt abends heimlich abgehalten, obwohl kein Polizist mit gesundem Menschenverstand sich dorthin gewagt hätte. Der Platz war von Fackeln und qualmenden Öllampen erhellt, welche die Luft dick und beißend machten. Hunter kniff die Augen zusammen und blieb bei einem seltsam angezogenen Mann stehen, der auf einem Klappstuhl saß. Der dunkelhäutige Mann, offenbar französisch-polynesischer Abstammung, trug einen langen blauen Samtmantel mit Knöpfen, die aus Knochen geschnitzt waren. Auf der Wange hatte er eine seltsame Tätowierung, einen fliegenden exotischen Vogel.
    Ihre Blicke trafen sich und Hunter wies auf die Tätowierung. »Können Sie so etwas machen?«, fragte er und der Mann nickte.
    »Man nennt es tatouage«, erwiderte er mit einem französischen Akzent.
    Hunter griff in seine Jackentasche und zog einen Papierfetzen hervor … der letzte verbliebene Überrest der Tagebücher. »Können Sie das hier kopieren?«, fragte er kurz angebunden.
    Der Franzose ergriff die Zeichnung und musterte sie prüfend. »Bien sur … es ist eine einfache Zeichnung. Es wird nicht lange dauern.«
    Er packte seinen Stuhl und wies Hunter an, ihm zu folgen. Sie gingen vom Marktplatz zu einem Keller in einer Seitenstraße, der von flackernden Kerzen erhellt war, die den Raum in ein orangefarbenes Licht tauchten. Auf hölzernen Klappliegen waren zwei kopulierende Paare miteinander beschäftigt. Vor dem Keller lungerten ein paar Huren unterschiedlichen Alters herum und warteten auf Freier.
    »Hinaus«, sagte der Franzose scharf. »Ich habe einen Kunden.« Die Huren traten kichernd und giggelnd beiseite.
    Der Franzose warf Hunter einen entschuldigenden Blick zu, während die Paare im Keller ihre Geschäfte zu Ende brachten. »Es ist mein Zimmer«, sagte er, »und ich überlasse es ihnen für eine Beteiligung an ihrem Einkommen.«
    »Ein Künstler und ein Zuhälter«, kommentierte Hunter. »Sie sind ein Mann mit vielen Talenten.«
    Der Franzose schwieg, als müsse er überlegen, ob er erheitert oder beleidigt sein sollte. Schließlich lachte er. Er führte Hunter in den Keller und trat zu einem Tisch in der Ecke, auf dem sich verschiedene Werkzeuge und Tintenfässer befanden. »Wohin möchten Sie die Zeichnung haben?«, fragte er.
    »Hierhin.« Hunter wies auf die Innenseite seines Oberarms.
    Der Mann zog die Augenbrauen hoch, nickte dann aber geschäftsmäßig. »Ziehen Sie Ihr Hemd aus, s’il vous plait.«
    Eine Gruppe von vier oder fünf Huren lungerte weiter im Keller herum und ignorierte den barschen Befehl des Mannes, sie sollte verschwinden. »Hübscher Teufel«, bemerkte ein Mädchen mit üppigem rotem Haar und schenkte ihm ein Lächeln, bei dem ihre Zahnruinen sichtbar wurden. »Kleiner Bums gefällig, wenn Froggie fertig ist?«
    »Nein, danke«, erwiderte Hunter durchaus höflich, obwohl er insgeheim angeekelt war. »Ich bin ein verheirateter Mann.« Diese Bemerkung rief Entzücken und Bewunderungsschreie hervor.
    »Ohh, er ist ein Schatz!«
    »Ich bumse dich umsonst«, bot ihm eine Blonde mit großen Brüsten kichernd an.
    Zu Hunters Missbehagen sahen die Huren zu, wie er sein Jackett, seine Weste und sein Hemd auszog. Als er das Leinenhemd abgelegt hatte, brachen sie in Bewunderungsrufe aus.
    »Na, das ist aber mal ein schönes Stück Fleisch, Kinder!«, schrie eine von ihnen und trat vor, um seinen bloßen Arm zu berühren. »Jesses, guckt euch nur die Muskeln an! Gebaut wie ein Bulle!«
    »Mit einem netten festen Brotkorb«, sagte eine andere und stach mit dem Finger in seinen flachen Bauch.
    »Was ist das?« Die Rothaarige hatte die Narbe auf seiner Schulter, die an der Seite und eine weitere sternförmige auf seinem unteren Rücken entdeckt. Sie gab einen mitleidigen Laut von sich und musterte die Narben neugierig.
    »Ganz schön rumgekommen, was?«, fragte sie und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln.
    Obwohl Hunter sich bemühte, teilnahmslos dreinzublicken, spürte er, wie sich sein Gesicht rötete. Entzückt von seiner offensichtlichen Verlegenheit, kicherten die Huren und neckten ihn immer weiter, bis der

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