Geliebter Fremder
ist, sondern nur vorübergehende Zerstreuung?«
»Sie sind sehr neugierig«, sagte er mit einem nachsichtigen Lächeln. Seltsam, dass etwas so Normales wie Tändeleien in ihren Augen derart aufregend war. Er wünschte, er hätte stundenlang mit ihr zusammensitzen und ihre Fragen beantworten können.
»Ich fürchte, ich habe nicht die nötige Erfahrung, um mit Ihnen so zu plaudern, wie Sie es gewohnt sind. Daher werden Sie mir hoffentlich verzeihen, wenn ich Sie gerade heraus bitte, mich zu küssen.«
Er stolperte und verteilte Kies auf dem Weg. »Wie bitte?«
»Sie haben mich genau verstanden, Mylord.« Sie hob ihr Kinn. »Ich hätte es sehr gerne, wenn Sie mich küssten.«
»Warum?«
»Weil es sonst keiner tun wird.«
»Wieso nicht? Sie unterschätzen sich.«
Ihr verschmitztes Lächeln entzückte ihn. »Ich schätze mich genau richtig ein.«
»Dann wissen Sie doch auch, dass irgendwann ein anderer Mann Sie küssen will.« Sobald er das gesagt hatte, merkte er, wie ihn die Vorstellung aus dem Gleichgewicht brachte. Ihre Lippen waren weich wie Blütenblätter und hinreißend prall. Sie hatten sich wie Kissen angefühlt, als er sie küsste, und er ertappte sich bei dem Gedanken, nie hübschere Lippen gesehen zu haben. Bei der Vorstellung, ein anderer Mann könnte sie küssen, ballte er die Fäuste.
»Vielleicht wollte es ein anderer Mann, aber er würde es nicht tun.« Sie trat zu ihm, stellte sich auf die Zehenspitzen und bot ihm ihren Mund dar. »Weil ich es nicht erlauben würde.«
Gegen seinen Willen zog Rhys sie an sich. Sie war so gertenschlank und hatte kaum Kurven, passte sich aber wie angegossen an seinen Körper an. Als ihm das bewusst wurde, hielt er einen Moment inne.
»Wir passen zusammen«, hauchte sie mit aufgerissenen Augen. »Ist das immer so?«
Er schluckte hart, schüttelte den Kopf und umfasste mit einer Hand ihre Wange. »Ich weiß nicht, was ich mit Ihnen anfangen soll«, bekannte er.
»Dann küssen Sie mich einfach.«
Rhys neigte den Kopf und verharrte dicht vor ihrem Mund. »Sagen Sie mir Ihren Namen.«
»Abby.«
Er fuhr mit der Zunge über ihre Unterlippe. »Ich will Sie wiedersehen, Abby.«
»Also können wir uns im Park verstecken und uns skandalös benehmen?«
Was konnte er darauf sagen? Er wusste nichts von ihr, doch ihre Kleidung, ihr Alter und die Tatsache, dass sie ohne Begleitung war, verrieten ihm, dass sie gesellschaftlich ohne Bedeutung war. Für ihn war es Zeit zu heiraten, und sie war keine Frau, der er den Hof machen konnte.
Sie lächelte wissend. »Dann küssen Sie mich nur und sagen dann Lebewohl, Lord Trenton. Sie können sich freuen, mir die Illusion geschenkt zu haben, von einem gut aussehenden schneidigen Mann umworben worden zu sein.«
Da ihm nichts dazu einfiel, küsste er sie leidenschaftlich und mit Gefühl. Sie schmolz dahin, wurde atemlos und gab einen wimmernden Laut von sich, der ihn um den Verstand brachte. Wie gerne wäre er weiter gegangen! Hätte ihr die Kleider vom Leib gerissen, ihr alles beigebracht, was er wusste, und den Geschlechtsakt wie sie mit Staunen erlebt.
Als sie also mit ihm den Garten verließ, wollte er sich nicht von ihr verabschieden. Und später, als er betont gleichmütig ins Haus zurückging, merkte er, dass auch sie nicht Lebewohl gesagt hatte.
Kapitel 12
»Sehr interessant, dass sie ohne Grayson hier erscheint«, murmelte Barbara und legte Hargreaves leicht die Hand auf den Arm. Dann wandte sie wieder den Kopf zur Menge und überflog sie.
»Vielleicht kommt er später nach«, erwiderte der Earl, wesentlich gelassener, als ihr lieb war. Sollte Hargreaves plötzlich entscheiden, dass er genug von Isabel Grayson hatte, wäre sie bei dem Versuch, den Marquess wieder in ihr Bett zu locken, auf sich allein gestellt.
Sie ließ ihn los und trat einen Schritt zurück. »Trenton ist nicht mehr bei ihr. Jetzt wäre der rechte Zeitpunkt, sich an sie heranzumachen.«
»Nein.« Er warf ihr einen finsteren Blick zu. »Jetzt ist nicht der rechte Zeitpunkt. Bedenken Sie, welches Gerede das nach sich ziehen würde.«
»Aber das ist doch unser Ziel«, widersprach sie.
»Grayson ist ein Mann, mit dem nicht zu spaßen ist.«
»Das stimmt, Sie aber auch nicht.«
Hargreaves starrte quer durch den Ballsaal und verharrte mit seinen zusammengekniffenen Augen bei seiner früheren Geliebten.
»Sehen Sie nur, wie missgelaunt sie ist«, bemerkte Barbara hämisch. »Vielleicht bereut sie ihre Entscheidung schon. Aber das werden Sie nur
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