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Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Titel: Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Ganzwohl
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Doch eigentlich rechne ich mit dem Gegenteil, vielleicht auch aus Zweckpessimismus.
    Umso erstaunter bin ich über die Reaktionen.

Hannah
    Hannah weiß es ja schon länger – seit sie mir kurz vor Weihnachten das Geschenk überreichte und ich mit der Neuigkeit herausplatzte. Anders als meine restlichen Freunde und Freundinnen hatte sie also etwas Zeit, sich alles durch den Kopf gehen zu lassen.
    »Ich habe nachgedacht, und ich bin sicher, dass ich auch zur Mörderin werden könnte. Vielleicht nicht wegen einer Trennung, aber ich kann mir Situationen vorstellen …«, sagt sie bei unserem ersten Treffen danach.
    »Welche?«, frage ich. »Sind das nicht eher Notwehrsze narien, die du da im Hinterkopf hast? Also: kein Mord?«
    »Ja, auch Notwehr, aber nicht nur. Ich bin sicher, ich könnte auch aus Rache morden. Wenn ich mir vorstelle, jemand würde Jan etwas antun oder meine kleine Schwes ter entführen und vergewaltigen. Oder auch mich selbst … Oder ein besoffener Autofahrer würde jemanden, den ich liebe, in den Rollstuhl bringen …«
    »Dann würdest du denjenigen umbringen, um dich zu rächen? Selbstjustiz?«
    »Ich könnte es zumindest nicht ausschließen. Nehmen wir an, der Täter würde erwischt und dann nur zu einer lächerlichen Haftstrafe verurteilt werden, zu ein paar Jährchen, die man auf einer Arschbacke absitzt …«
    »So wie Claus. Er war nach nur sieben Jahren wieder draußen.«
    Hannah zögert, sagt dann: »Ich sage ja nicht, dass es logisch ist, was ich denke und fühle. Aber wenn ich direkt betroffen wäre, könnte ich für mich nicht ausschließen, aus Rache zu morden.«
    »Und weil du dir das vorstellen kannst, wirst du mir nicht abraten, es mit Claus zu versuchen? Aber du würdest ihn ermorden, wenn du selbst betroffen wärst?«, frage ich und schäme mich, dass ich so schnippisch klinge.
    »Kristin, das ist jetzt unfair …«
    »Ja, stimmt, tut mir leid.«
    Ich senke den Kopf und unterdrücke Tränen.
    »Solche Gedankenspiele sind doch irgendwie normal, wenn man mit so einer Geschichte konfrontiert wird«, fährt Hannah fort. »Hast du etwa nicht darüber nachgedacht?«
    »Ob ich zu einem Mord fähig wäre?«
    »Ja, was sonst?«
    »Doch, klar habe ich das, und genau wie du musste ich mir eingestehen, dass ich unter bestimmten Umständen wahrscheinlich dazu in der Lage wäre.«
    »Na also, sag ich doch.«
    »Nur deshalb bin ich doch überhaupt noch mit ihm zusammen …«
    »Siehst du, dann denkst du doch genauso wie ich: Weil du es dir vorstellen kannst oder es für dich zumindest nicht ausschließen kannst oder dich sogar irgendwie, zumindest teilweise, hineinversetzen kannst, hältst du Claus nicht plötzlich für ein Monster. Oder einen verabscheuungswürdigen Menschen.«
    »Nein.«
    »Und deshalb hast du beschlossen, ihm eine Chance zu geben.«
    »Ja.«
    »Und ich finde, das ist die richtige Entscheidung. Du bist förmlich aufgeblüht, seit du Claus kennst …«
    »Na ja, in letzter Zeit welke ich eher vor mich hin.«
    »Jetzt übertreib mal nicht – du siehst genauso aus wie immer. Blendend. Schon klar, dass das keine leichte Situation ist und dass es für eure Beziehung eine echte Bewährungsprobe darstellt …«
    »Aber?«
    »Aber ich kenne ihn jetzt schon ein paar Monate und habe einfach ein gutes Gefühl bei ihm, er ist ’n guter Typ. Er hat für seine Tat bezahlt und wird daran auch bis an sein Lebensende zu tragen haben. Doch das heißt nicht, dass er kein Recht mehr auf ein halbwegs normales Leben und eine Beziehung hat, oder?«
    »Du findest also, Claus hat das Recht auf ein normales Leben. Aber wenn du selbst betroffen wärst, wenn er deine kleine Schwester ermordet oder vergewaltigt hätte, könntest du dir vorstellen, ihn umzubringen? Hat er dann doch kein Recht auf Leben mehr?«
    »Herrgott, Kristin! Nun reite doch nicht dauernd darauf herum. Genau deswegen fällen in einem Rechtsstaat nicht Opfer oder Angehörige des Opfers Urteile, sondern ein unabhängiges Gericht.«
    »Entschuldige bitte. Ich wollte dich nicht angreifen. Ich will nur, dass du siehst, wie kompliziert die Sache wird, sobald man nur kurz darüber nachdenkt. Und nicht nur kompliziert, sondern auch widersprüchlich, unlogisch und total wirr.«
    Sie legt ihre Hand auf meinen Unterarm.
    »Ja, du hast recht. Darüber habe ich wirklich noch nicht nachgedacht.«
    »Das sind alles wunderbare Themen für ein Ethik- oder Philosophie-Hauptseminar. All diese grundsätzlichen Fra gen und unlösbaren Widersprüche.

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