Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte
selbst schon gedacht habe. Trotzdem trifft es mich, das aus Sonjas Mund zu hören. Kein erweiterter Selbstmord wie bei verzweifelten Müttern, die aus falsch verstandener Liebe ihre Kinder retten wollen und sie deshalb mit in den Tod nehmen. Begriffe wie Egoismus, Eifersucht, Besitzanspruch und sogar Rache tauchen in meinem Kopf auf. Ich schüttle mich, als würden die Gedanken dadurch aus meinem Kopf fallen.
»Trotzdem kann ich irgendwie nachvollziehen, wie er sich gefühlt hat oder was in ihm vorging, zumindest bilde ich mir das ein. Ich glaube, das liegt daran, dass ich in dieser grauenvollen Zeit nach Olivers Trennung auch mal einen Blick in diesen Abgrund geworfen habe. Wenn auch – zum Glück – nur einen kurzen Blick.«
»Ja, das hast du«, stimmt mir Sonja zu. »Aber Claus hat nicht nur einen Blick hineingeworfen. Er ist hinabgestürzt.«
Olaf
Das Gespräch mit Olaf verläuft ganz anders als das mit Sonja. Viel weniger sachlich und vernünftig. Vielleicht liegt das daran, dass wir nicht am Telefon darüber sprechen, sondern uns in einer angesagten Münchner Schwulenbar treffen und dort bei der zweiten Flasche Rotwein angelangt sind, als ich mit der Geschichte zu Ende bin. Olaf hat Tränen in den Augen, steht auf und umarmt mich.
»Es tut mir so leid!«
Ich tätschle seinen Rücken und habe auch angefangen zu weinen.
»Danke, schon gut, ist ja gut«, murmle ich.
Olaf setzt sich wieder und schnieft.
»Ich habe mich so für dich gefreut, dass es nach all der Scheiße in den letzten Jahren endlich mal gut für dich läuft und du so einen – netten Kerl kennengelernt hast.«
» Nett und normal hast du ihn auf meinem Geburtstagsfest genannt. Was ja schon fast eine Beleidigung ist.«
»Ja, entschuldige. Nett ist der kleine Bruder von scheiße, und nett ist nix fürs Bett, ich weiß, ich weiß. Aber so habe ich das nicht gemeint. Ich finde ihn wirklich sympathisch und offen und witzig. Und er sieht auch noch gut aus, mit diesem – furchigen Gesicht. Wäre mal interessant, ihn zu fotografieren.«
»Interessant – bis auf die spießigen Polohemden.«
»Der Mörder im Polohemd. Klingt wie ein Krimi - Titel.«
»Olaf, das ist geschmacklos.«
»Besser eine geschmacklose Schwulette als ein Killer im Polohemd.«
Ich spüre, wie mir Tränen über die Wangen laufen.
»Kristin, entschuldige, das war nicht so gemeint.«
Olaf klingt erschrocken.
Ich ziehe die Nase hoch und wische mit meinem Handrücken die Tränen ab.
»Kein Problem; ich bin etwas dünnhäutig im Moment.«
»Sorry, sorry, sorry.«
Er schenkt mir Rotwein nach.
»Was willst du denn jetzt tun?«
»Was würdest du tun?«
»Liebst du ihn?«
»Lieben ist ein großes Wort …«
»Ja oder nein.«
Ich zögere ein paar Sekunden.
»Montags ja, dienstags jein und mittwochs wieder ja.«
»Das reicht im Moment völlig. Also gibt es nur eine Antwort darauf: Stand by your man .«
Die letzten Worte singt er, weil das Lied gerade im Hintergrund läuft.
»Du würdest es also mit ihm versuchen?«
Olaf wird wieder ernst.
»Wenn ich ihn lieben würde, wäre das für mich gar keine Frage. Vielleicht liegt es an meinem Job oder auch am Schwulsein oder an beidem – vielleicht macht das toleranter. Ich sortiere Menschen nicht in Schubladen oder verurteile sie vorschnell. Dafür kenne ich zu viele mit kaputten Biografien, und dafür bin ich zu vielen Verbrechern begegnet, die nie im Knast waren, aber in meinen Augen dorthin gehören. Ich finde, jeder hat eine zweite Chance verdient.«
Olaf beugt sich zu mir und klopft mir auf den Rücken. »Du musst Cläuschen ja nicht gleich heiraten oder mit ihm eine Eigentumswohnung kaufen oder eine Firma gründen …«
»Weißt du, was im Moment mein Hauptproblem ist?«
»Lass hören.«
»Ich betrachte ihn plötzlich mit anderen Augen. Vieles, was ich in der ersten Zeit toll an ihm fand, beurteile ich nun ganz anders.«
»Zum Beispiel?«
»Ich war anfangs so begeistert davon, wie gut man mit ihm reden kann. Es fühlte sich so an, als würde man mit einer Freundin sprechen, nicht mit einem Kerl …«
»Also bitte, keine Beleidigungen jetzt. Als ob man mit kernigen Kerlen keine guten Gespräche führen könnte, also echt …«
»Sorry, Olaf, du bist natürlich eine löbliche Ausnahme, aber meiner Erfahrung nach sind die meisten Heteromänner nicht besonders reflektiert, wenn es um Gefühle und Paarkommunikation und Beziehungen geht …«
»Ach so, wir sprechen hier von
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