Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte
mal so schlecht.«
»Ja, da staunste.«
Wir schweigen beide und hören der Musik zu.
»Warte einfach mal ab, wie es sich entwickelt«, ergreift Olaf nach einer Minute das Wort.
»Und wenn ich in einem Jahr noch am Leben bin, heirate ich ihn einfach, was meinst du?«
Jetzt ist es Olaf, der die Luft anhält und die Augen aufreißt.
»Also bitte, Kristin …«
Ich grinse ihn an.
»Weißt du, Olaf, eine Sache habe ich kürzlich beschlossen.«
»Ich bin gespannt.«
»Ich habe mir selbst erlaubt, manchmal Witze darüber zu reißen.«
»Worüber?«
»Über – einfach alles. Über Mord und Totschlag, über Killer, Knäste, Knackis. Egal, wie geschmacklos diese Sprüche im ersten Moment wirken. Ich habe das Gefühl, ich platze, wenn ich immer nur ernst und mit tränenumflorter Stimme darüber reden darf.«
Olaf legt einen Finger auf die Wange.
»Na ja, sogar KZ -Insassen machten Witze über ihre Situation.«
»Warum kommen eigentlich immer alle mit Nazizeit-Vergleichen an?«
»Dazu sage ich jetzt nichts, sonst steht das morgen gleich in der BILD . Berühmter Fotograf blamiert Deutschland mit geschmacklosen Nazi-Vergleichen .«
»Ja, ist besser so, du berühmter Fotograf.«
»Aber Killerwitze sind erlaubt, ja? Bei meinem letzten hast du gleich angefangen zu heulen.«
»Montags ja, dienstags jein, mittwochs wieder ja.«
»In dreieinhalb Minuten ist Mittwoch.«
»Na dann, leg los.«
»Kommt ein Killer zum Arzt …«
Olaf spricht nicht weiter, hebt den Arm und bestellt die dritte Flasche Rotwein.
Christiane
Christiane, die Freundin, die mich seit inzwischen dreißig Jahren kennt, ist die Einzige, die nicht so eindeutig und positiv auf meinen Entschluss reagiert, mit Claus zusammenzubleiben. Das liegt vielleicht daran, dass sie auch die Einzige ist, die ihn bisher noch nicht persönlich kennengelernt hat. Sie lebt mit Mann und Kind – meinem Patenkind – in Wien, und es ist immer schwierig, unsere Termine unter einen Hut zu bekommen, daher haben wir uns schon über ein Jahr nicht mehr gesehen.
Alle meine Freunde, Bekannten und Kollegen, die Claus bisher von Angesicht zu Angesicht kennengelernt hatten, waren angetan von seiner Offenheit, seinem Charme und der Art und Weise, wie wir miteinander umgingen. Ihr gebt ein tolles Paar ab; Ist ein guter Typ; Sympathischer Kerl – das hörte ich am Anfang unserer Beziehung sehr oft.
Claus persönlich getroffen zu haben, ihm mehrmals begegnet zu sein, hat bei Hannah, Sonja und Olaf offenbar bewirkt, dass sie meine Entscheidung besser verstehen und nachvollziehen können. Christiane kennt Claus dagegen nur von Fotos, die ich ihr gemailt habe, und aus meinen Erzählungen – kein Wunder, dass ihre Reaktion nach dem ersten Schock deutlich zurückhaltender ausfällt als die der anderen.
»Ja, ja, sicher haben auch Straftäter und sogar Mörder eine zweite Chance verdient«, sagt sie zu mir am Telefon. »Aber musst ausgerechnet du es sein, die ihm diese Chance gibt?«
Anders als die drei anderen hat Christiane auch viel mehr Angst um mich. Als ich ihr vom Weihnachtsurlaub auf Hiddensee erzähle, der Einsamkeit, dem fehlenden Handynetz und den Problemen, mit denen wir zu kämpfen hatten, meint sie: »Da trifft mich ja noch im Nachhinein der Schlag. Warum hast du nicht wenigstens vorher Bescheid gesagt?«
»Ich war noch nicht so weit. Ich stand irgendwie unter Schock und brauchte einfach noch etwas Zeit für mich, um meine Gedanken zu ordnen.«
»Aber warum bist du dann überhaupt mit ihm in diese Einöde gefahren?«
»Was hätte ich denn tun sollen?«
»Absagen natürlich! Canceln! Sofort!«
»Ja, das hatte ich auch kurz überlegt, aber dann …«
»Du wusstest doch noch viel zu wenig! Nur das, was er dir erzählt hat. Da kanntest du ja noch nicht mal seine Freunde.«
»Doch, seine Freunde hatte ich schon kennenge lernt …«
»Ja, bei einem einzigen Abendessen. Ist aber auch egal, das war echt leichtsinnig. Er sagt zu dir: ›Hey, ich muss dir was sagen, ich habe meine Ex ermordet‹, und du fährst ein paar Tage später allein mit ihm in ein einsames Haus am Waldesrand ohne Handyempfang. Na super.«
Ich denke an meine eigenen Gedankenspiele und Ängste während dieses Kurzurlaubs und muss ihr insgeheim recht geben. Trotzdem trifft mich das, was sie sagt, und ich fange an, Claus zu verteidigen. Sage, dass ich mir sicher sei, dass er mir niemals wehtun würde, und dass ich es komplett übertrieben gefunden hätte, den Urlaub zu canceln, und dass ich ihm
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