Geliebter Normanne
wirst du Probleme haben. Ich denke nicht, dass es sinnvoll ist, ihnen zu vertrauen.«
Skeptisch hob Bosgard eine Augenbraue.
»Nun, du kannst mir ja bei einem Krug Ale berichten, was du seit deiner Ankunft hier erlebt hast.«
»Gerne, Bosgard, aber es sind leider nicht nur gute Nachrichten. Der Landbesitz ist klein, und, wie du selbst siehst, die Burg verdient kaum diese Bezeichnung.«
Die beiden Männer betraten das Langhaus, und Hayla starrte ihnen mit brennendem Blick nach. Allem Anschein nach waren Ralph und Bosgard Freunde, warum aber hatte Ralph die Worte des neuen Herrn so falsch wiedergegeben? Doch gleichgültig, in welcher Beziehung die beiden Männer zueinander standen – ein Normanne war gleich schlecht wie der andere, und nur weil Bosgard de Briscaut sie vor einer Schändung bewahrt hatte, war dies noch lange kein Grund, freundliche Gedanken für ihn zu hegen. Waren die Worte Bosgards auch freundlich gewesen, er würde zum Erreichen seiner Ziele ebenso rücksichtslos wie Ralph vorgehen und die Bewohner Penderrocs unterdrücken.
[home]
4. Kapitel
I n den frühen Morgenstunden war Bosgard zusammen mit Ralph ausgeritten, um sich einen Überblick über seinen Landbesitz und die Umgebung zu verschaffen. Im Osten zogen sich die Ländereien von Penderroc bis zu dem Fluss Tamar hin, der die natürliche Grenze zwischen Devon und Cornwall bildete. Im Süden dehnten sich dichte Wälder bis zur Küste aus, und im Norden und Westen gab es fruchtbares Ackerland, das von einfachen Bauern, die in armseligen Hütten hausten, bewirtschaftet wurde. Penderroc lag weit genug vom Meer entfernt, um nicht den heftigen Stürmen des Herbstes und des Winters ausgesetzt zu sein, dennoch hing der Geruch nach Moor, Salz und Meer in der Luft. Obwohl der Landbesitz nicht groß war, erkannte Bosgard, dass er hier – wenn er richtig wirtschaftete – sein Auskommen haben würde. Er lächelte in sich hinein. Er, Bosgard de Briscaut, aufgewachsen auf einem der größten Güter in der Normandie, sein Vater ein mächtiger und reicher Mann, würde künftig nur noch ein Bauer sein. Er hatte genug vom Kämpfen, hatte zu viel Blut und Leid gesehen und sehnte sich nach einem Platz, wo er zur Ruhe kommen und ein friedvolles Leben führen konnte. Penderroc schien ihm der richtige Platz dafür zu sein, und er freute sich auf die vielfältigen Aufgaben. Seine finanziellen Mittel erlaubten es, in den kommenden Jahren aus Penderroc ein herrschaftliches Anwesen zu machen, das seiner Abstammung würdig war.
Als die beiden Männer am Spätnachmittag wieder in den Hof ritten, zügelte Bosgard sein Pferd und betrachtete die Leute, die nun seine Untertanen waren. Nach dem von König William erlassenen Gesetz waren die Angelsachsen Leibeigene, und der König hatte sie sogar als »seine Sklaven« bezeichnet, aber Bosgard mochte dieses Wort nicht. Natürlich waren die Angelsachsen ihm verpflichtet und mussten für ihn arbeiten, aber Bosgard wollte versuchen, ihnen einen Rest ihres Stolzes und ihrer Würde zu erhalten. Er wandte sich zu Ralph um und sagte: »Ich werde ihre Sprache lernen, denn ich muss die Menschen, die für mich arbeiten, verstehen und selbst mit ihnen sprechen können.«
»Was?« Ralph zuckte kaum merklich zusammen. »Das ist nicht nötig. Hauptsache, sie machen ihre Arbeit und verhalten sich ruhig.«
»Wenn ich ihr Vertrauen gewinnen möchte, dann muss ich mir ihre Sorgen und Nöte anhören. Ralph, du wirst mich jeden Tag eine Stunde in der Sprache der Engländer unterrichten. Am besten fangen wir damit gleich heute Abend an.«
Das war kein Wunsch, sondern ein Befehl, und Ralph knirschte mit den Zähnen. Er wagte einen letzten Versuch, Bosgards Ansinnen abzuweisen.
»Denkst du wirklich, dieser Aufwand lohnt sich? Du kehrst doch bald wieder nach London an den Hof zurück, und dort herrscht die kultivierte Sprache. Warum also willst du dir so viel Mühe machen?«
Bosgard schüttelte den Kopf und sah Ralph verwundert an.
»Du irrst dich, Schwager. Ich werde so bald nicht nach London zurückzukehren. Außer wenn der König mich an seine Seite rufen sollte, aber es scheint, dass alle Aufstände niedergeschlagen wurden und eventuelle Unruhestifter entweder tot oder eingekerkert sind. Somit werde ich in Cornwall bleiben.«
Ralph konnte sein Erschrecken über Bosgards Pläne nur verbergen, indem er sich vorbeugte und den Hals seines Pferdes kraulte.
»Warum kehrst du dann nicht nach Frankreich zurück?«, fragte er. »Die
Weitere Kostenlose Bücher