Geliebter Normanne
mit ansehen zu müssen. Ein zweiter Angreifer fiel, und als die anderen sahen, dass ihr Anführer tot war, ergriffen sie die Flucht. Bosgards Männer wollten ihnen nachsetzen, aber Bosgard rief: »Nein, halt, lasst sie, für heute ist genug Blut geflossen. Der Urheber sitzt ruhig und sicher in Penderroc Castle und wartet auf die Nachricht von meinem Tod. Ich werde mit ihm abrechnen.«
Einer der Männer deutete mit der Schwertspitze auf die am Boden kauernde Hayla.
»Ergreift das Mädchen und fesselt sie. Sie wollte fliehen …«
Bosgard hob die Hand. »Im Gegenteil, sie ist gekommen, um mich zu warnen.« Er kniete neben Hayla nieder, legte zwei Finger unter ihr Kinn und hob ihren Kopf. In den Staub auf ihrem Gesicht hatten sich Tränen gemischt, aber ihre Augen leuchteten.
»Ihr seid am Leben!«, rief sie, und ihr Blick verriet Bosgard mehr, als es tausend Worte getan hätten.
»Mädchen, wer bist du? Wer hat dich gelehrt, so zu reiten?«, fragte Bosgard. Als Hayla nicht antwortete, fuhr er fort: »Woher hast du überhaupt von dem Plan, mich zu überfallen, gewusst?«
Hayla musste mehrmals trocken schlucken, bevor sie antworten konnte.
»Ralph Clemency hat sich gegenüber seinen Kumpanen mit seiner schlauen Idee, das Schreiben des Königs gefälscht und Euch in eine Falle gelockt zu haben, gebrüstet.«
Bosgard zuckte kaum merklich zusammen.
»Aber das hat er doch sicher nicht vor deinen Ohren getan? Hast du die Männer heimlich belauscht?«
Hayla wusste, sie musste jetzt die Wahrheit gestehen. Sobald Bosgard mit Ralph sprach, würde er sie ohnehin erfahren, also war es besser, wenn sie es ihm selbst sagte. Sie senkte den Blick und flüsterte: »Nein, Herr, die Männer saßen in der Halle, während ich aufräumte.«
»Und sie sprachen vor dir offen darüber, mich zu töten? Das kann ich mir kaum vorstellen.« Bosgard schüttelte fassungslos den Kopf.
»Doch, Herr, aber sie redeten in der Sprache Eures Landes …«
Bosgard verstand. Perplex ließ er sich zu Boden sinken und starrte Hayla ungläubig an.
»Du meinst, sie sprachen Französisch und glaubten, du würdest sie nicht verstehen. So, wie ich es auch getan habe. Dabei beherrschst du unsere Sprache …«
Er brach ab, und Hayla wagte nicht, ihn anzusehen.
»Oui, Sir, je parle et comprends la langue de votre pays«
, antwortete Hayla leise, aber zu Bosgards großer Verblüffung gut verständlich. »Werdet Ihr mich jetzt töten, weil ich Euch belogen habe?«
»Wie kommst du denn darauf?« Bosgards Hände umklammerten ihre Schultern und schüttelten sie leicht. »Du hast dein eigenes Leben riskiert, um das meine zu retten. Mädchen, Mädchen, welche Geheimnisse verbirgst du noch vor mir? Die Geschichte, du wärst einfacher Herkunft, kaufe ich dir jedenfalls nicht länger ab.«
Bosgards Tonfall war zwar streng, aber Hayla sah ein belustigtes Zwinkern in seinen Augenwinkeln, und sie lächelte zaghaft.
»Es stimmt, was ich Euch gesagt habe. Als der Herzog … äh, der neue König England unterwarf, floh ich in den Westen und lebe dort seitdem als Magd. Meine Eltern sind beide tot, aber früher habe ich eine gewisse … Ausbildung erhalten.«
Mit diesen Worten hatte Hayla nicht gelogen und dennoch nicht ihre Abstammung offenbart. Sicher, es wies alles darauf hin, dass Bosgard de Briscaut ihr wohlgesinnt war – wenn nicht sogar etwas mehr als das, aber darüber wollte Hayla jetzt lieber nicht nachdenken –, doch dies konnte sich schnell ändern, wenn er erfuhr, dass sie das Mündel von König Harold gewesen war.
Bosgard stand auf und zog Hayla hoch.
»Dann nehme ich an, du kannst auch schreiben, lesen und rechnen, nicht wahr?« Er erwartete keine Antwort, der Gesichtsausdruck Haylas sagte genug. »Jetzt komm, wir kehren nach Penderroc zurück. Dort habe ich noch eine Rechnung mit meinem lieben Verwandten offen.«
Als Hayla zu ihrem Pferd ging und aufsitzen wollte, hielt er sie zurück.
»Du reitest mit mir. Die Stute hat nach dem höllischen Ritt eine Pause verdient.«
Bosgard fasste Hayla an der Hüfte und hob sie auf sein Pferd, als wöge sie nicht mehr als eine Feder, dann schwang er sich hinter sie in den Sattel. Mit einem Arm umschlang er ihre Taille, mit der anderen Hand griff er nach den Zügeln und gab seinen Männern den Befehl loszureiten. Hayla wurde sich seiner körperlichen Nähe mehr bewusst, als ihr lieb war, und sie erinnerte sich daran, wie sie bei ihrer ersten Begegnung mit Bosgard ebenfalls vor ihm auf dem Pferd
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