Geliebter Normanne
Gleichem vergelten.« Er wandte sich an seine Männer. »Bringt ihn und seine Helfershelfer hinaus und sorgt dafür, dass sie Penderroc auf der Stelle verlassen. Sie sollen so gehen, wie sie sind. Es versteht sich von selbst, dass ihre Rüstungen, ihre Waffen und auch ihre Pferde hierbleiben.«
»Bosgard, du kannst mich doch nicht zu Fuß und waffenlos fortschicken.« Ralphs Stimme hatte einen jammernden Unterton, aber Bosgard beachtete ihn nicht weiter.
»Und wenn das Gewürm entfernt ist, sorgt dafür, dass hier neue Binsen gestreut werden. Ich möchte mein Haus restlos von diesem Abschaum gereinigt sehen.«
Ohne einen weiteren Blick stapfte Bosgard die Treppe zu seiner Kammer hinauf. Seine Männer packten Ralph Clemency an den Armen und schleiften ihn hinaus. Der letzte Blick, den Ralph auf Bosgards Rücken warf, war voll wildem Hass, und seine Augen schrien nach Rache.
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9. Kapitel
H ayla kauerte auf den Knien im Stall. Sie hatte beide Arme um den Hals des Esels geschlungen, und ihre Tränen tropften in sein struppiges Fell.
»Ach, Jesaja, was soll ich jetzt nur machen?« Sie schluchzte und wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht. »Jetzt wird er von meiner Abstammung erfahren, aber ich konnte ihn doch nicht sterben lassen.«
Natürlich antwortete der Esel nicht, doch es schien, als spürte er, was in Hayla vorging, denn er stupste mit dem Maul an Haylas Schulter, so als wolle er sagen: Kopf hoch, Mädchen, es wird alles gut werden.
Die Stalltür quietschte in den Angeln, und Schritte näherten sich. Hayla dachte, Waline wäre ihr gefolgt, weil sie nach Bosgards Ankunft wie panisch aus der Halle gelaufen war, deshalb rief sie, ohne aufzusehen: »Lass mich allein. Bitte, geh weg.«
»Wie du willst, Hayla, aber ich wollte dir nur danken. Allerdings müssen wir bald miteinander sprechen, denn du hast mir einiges zu erklären.«
Bosgard hatte Französisch gesprochen, und Hayla fuhr wie von einer Nadel gestochen herum. Jetzt konnte sie nicht mehr so tun, als verstünde sie ihn nicht. Verwirrt rappelte sie sich auf und wischte sich schnell die Tränen von den Wangen, aber Bosgard hatte bereits gesehen, dass sie geweint hatte. Ein Gefühl tiefer Zärtlichkeit ergriff ihn. Es war mehr als das Gefühl von Dankbarkeit, es war auch nicht Mitleid über ihre Tränen, sondern eher der Wunsch, Hayla zu beschützen und zu behüten, damit sie niemals wieder Grund hatte zu weinen. Es war ein Gefühl, das er bisher nie gespürt hatte.
»Verzeiht, Sir, ich gehe sofort wieder an meine Arbeit …«
Er ging auf Hayla zu, so dass ihr der Weg aus dem Stall versperrt war.
»Warum hast du geweint?«, fragte er ohne Umschweife.
Hayla senkte schnell den Kopf und stammelte: »Die Aufregung, Sir … und die Angst … ich wusste ja nicht …«
Bosgard blickte lächelnd auf sie hinab. Einige Haarsträhnen hatten sich aus ihrem Zopf gelöst und lockten sich über ihren schlanken Nacken. Er musste sich zusammenreißen, ihr nicht über die zarte Haut zu streicheln, aber er wusste, damit hätte er Hayla unnötig erschreckt. Ihr Angst einzujagen war das Letzte, was er wollte.
»Ich hoffe, Jesaja konnte dich ein wenig beruhigen«, sagte er deshalb betont scherzhaft. »Dieser Esel scheint ja wirklich ein ganz besonderes Tier zu sein.«
Erneut schien es, als hätte Jesaja verstanden, dass es um ihn ging, denn er stieß ein lautes »I-ah« aus, und Haylas Befangenheit fiel von ihr ab. Sie lachte leise, hob den Kopf und sah Bosgard ins Gesicht.
»Was ist mit … ihm?« Sie musste keinen Namen nennen, Bosgard wusste, von wem Hayla sprach. Er nickte grimmig.
»Ich habe Ralph und seine Kumpane soeben fortgejagt und glaube nicht, dass er sich je wieder in die Nähe von Penderroc wagen wird.«
Hayla hob erstaunt eine Augenbraue.
»Ihr habt ihn straflos entkommen lassen?«
Bosgard stieß einen grimmigen Laut aus.
»Wir sind hier zu weit von London entfernt, um Ralph Clemency vor das königliche Gericht zu bringen. Auch habe ich weder die Zeit noch die Lust, ihn als Gefangenen über die Landstraßen in die Hauptstadt zu begleiten.«
»Ihr hättet ihn doch auch hier verurteilen können«, rief Hayla unbedacht. »Ihr seid Herr über das Land, und damit untersteht Euch auch die Gerichtsbarkeit. Ein Urteilsspruch liegt in Eurer Macht und muss nicht einmal vom König abgesegnet werden.« Nachdem sie dies ausgesprochen hatte, wurde ihr schlagartig bewusst, dass sie mit ihren Kenntnissen über das Rechtssystem erneut bestätigte,
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