Geliebter Normanne
spürte sie immer noch die warme Süße von Bosgards Lippen, und sie fieberte der Zeit entgegen, wenn sie jeden Abend in seinen Armen einschlafen und am Morgen wieder bei ihm erwachen durfte.
[home]
12. Kapitel
D as Tor von Penderroc war geöffnet, und die Wachen ließen den Wagen und die vier Reiter passieren. Hayla, die gerade mit einem Eimer Wasser über den Hof ging, blieb erstaunt stehen. Das war gewiss nicht der Wagen des Bischofs, denn dieser würde nicht mit einer Eskorte bewaffneter Ritter reisen, deren Rüstungen sie als Normannen auswiesen. Wer aber sonst verirrte sich hierher nach Cornwall? Bosgard hatte ihr nichts von einem zu erwartenden Besuch gesagt.
Zwei Knechte liefen herbei, und der eine Reiter rief auf Französisch: »He, du, Bursche! Wo ist dein Herr?«
Der Junge verstand kein Wort und zuckte hilflos mit den Schultern. Instinktiv hielt sich Hayla zurück. Sie trug heute wieder einen einfachen Kittel, denn Untätigkeit war nicht ihre Art, und Waline hatte mit der Verpflegung der Burgbewohner mehr als genug Arbeit.
»Ungebildete Kreaturen, wann lernen die endlich unsere Sprache?« Überrascht hörte Hayla eine schimpfende Frau im Wageninneren.
Der Ritter öffnete den Schlag und half einer Dame in prachtvollen Gewändern auszusteigen. Das Unterkleid sowie die Tunika waren aus edlem, dunkelblauem Samt, die Säume mit zierlichen goldfarbenen Stickereien versehen, und ihr Haar wurde von einem Schleier aus weißer Seide verdeckt.
»Mylady, das hier ist Penderroc Castle«, sagte der Ritter und verbeugte sich.
Die Frau blickte sich schnell und – wie es Hayla schien – abschätzend um.
»Nun ja, nicht gerade der Königshof, aber was kann man in dieser Gegend anderes erwarten?«
Ihre Stimme war für eine Frau recht tief, aber mit einem interessanten Klang, wie Hayla zugeben musste. Die Haut ihres Gesichtes schimmerte rein und weiß, als würde sie niemals ein Sonnenstrahl treffen, und ihre Augen waren von einem hellen Grün. Jetzt fiel ihr Blick auf Hayla, und sie winkte ihr zu.
»He, du, Mädchen, ist dein Herr anwesend?«
Blitzschnell überlegte Hayla, ob sie weiterhin so tun sollte, als würde sie die fremde Dame nicht verstehen, entschied sich dann aber dagegen. Zu viele Bewohner der Burg wussten über ihre Sprachkenntnisse Bescheid, daher trat sie einen Schritt vor und sagte: »Mylord de Briscaut befindet sich auf der Jagd, Mylady. Wir wurden nicht über Eure Ankunft unterrichtet.«
Abschätzend glitt Constances Blick über Haylas einfache Aufmachung, und sie wusste sofort, dass es sich hier um die von Ralph Clemency benannte Magd handelte, die Bosgards Bett teilte. Die veilchenblauen Augen waren unverwechselbar. Obwohl Constance zugeben musste, dass das Mädchen recht ansehnlich war, so war sie doch nur ein Bauerntrampel im Vergleich zu ihr, einer wirklichen Dame. Keinen Moment zweifelte sie daran, mit dem jungen Ding leichtes Spiel zu haben.
Constance lachte hochmütig und sagte: »Ich weiß, dass Bosgard nichts von meinem Besuch ahnt. Es soll ja auch eine Überraschung werden, nicht wahr, Luchia?«
Erst jetzt bemerkte Hayla die zweite Frau hinter der Dame. Ihrem Alter und ihrer einfacheren Kleidung nach zu urteilen, musste es sich um die Kammerfrau handeln. Plötzlich ärgerte sich Hayla, dass sie wie eine Magd gekleidet war. Auf dem Kittel waren einige Flecken, und auch ihr Gesicht und ihre Hände waren von der morgendlichen Arbeit nicht ganz sauber. Trotzdem besann sie sich auf die Gastfreundschaft, die Bosgard der Fremden sicher gewährt hätte, und sagte: »Kommt bitte herein, Mylady. Ihr seid von der Reise sicher hungrig und durstig.«
Constance Aubreys Blick glitt erneut abschätzend über die Burg, und ihre folgenden Worte waren von einem Seufzer begleitet.
»Ich hoffe nur, in diesem Gemäuer befindet sich eine einigermaßen saubere Kammer. Sehr ansprechend sieht das hier nicht aus.«
Hayla biss sich auf die Unterlippe, um eine schnippische Bemerkung zu unterdrücken. Bevor sie nicht wusste, wer die Frau war und was sie auf Penderroc, und vor allen Dingen von Bosgard, wollte, war es wohl besser, höflich zu ihr zu sein.
»Wie kommt es, dass du unsere Sprache so gut sprichst?«, fragte Constance, als sie die Halle betrat.
Hayla zuckte mit den Schultern.
»Wir Angelsachsen haben gelernt, uns mit euch Normannen zu arrangieren«, antwortete sie ausweichend. Sie wollte die Dame in dem Glauben lassen, dass sie eine Magd war. »Bitte wartet einen Augenblick, ich werde
Weitere Kostenlose Bücher