Geliebter Normanne
empfindet.«
»Das ist mir gleichgültig!«, rief Hayla, aber die Tränen, die wieder über ihr Gesicht liefen, straften ihre Worte Lügen.
Bosgard war äußerst guter Laune und pfiff eine kleine Melodie vor sich hin. Die Jagd war erfolgreich gewesen – zwei Rehböcke, ein Dutzend Wildenten und die doppelte Anzahl von Tauben lagen in Säcken über den Packpferden, als er und seine vier Jagdbegleiter durch das Tor von Penderroc ritten. Das fröhliche Lied erstarb auf seinen Lippen, als er den fremden Wagen vor den Stallungen bemerkte. Nachdenklich runzelte er die Stirn. Er erwartete keinen Besuch, doch dann ging ein Leuchten über sein Gesicht. Der Bischof! Offenbar hatte sich der geistliche Mann von dem Wetter nicht abschrecken lassen und sich sofort auf den Weg gemacht. Wie gut, dass er heute so viel frisches Wildbret erlegt hatte – das würde ein ausreichendes und schmackhaftes Hochzeitsmahl geben. Achtlos warf Bosgard die Zügel seines Pferdes einem Knecht zu und lief in die Halle. Auf halbem Weg kam ihm Hayla entgegen. Bosgard lachte laut und breitete die Arme aus, denn jetzt brauchten sie ihre Liebe zueinander nicht mehr zu verheimlichen. Morgen schon würde Hayla seine Frau sein. Bosgard verharrte, als er Hayla ins Gesicht blickte. Täuschte er sich, oder waren ihre Augen geschwollen und gerötet? Sie sah ihn nicht direkt an, als sie mit leiser, aber fester Stimme sagte: »Ihr habt Besuch, Mylord.«
Er nickte und sah sich in der Halle um.
»Ich habe den Wagen gesehen. Wo ist der Bischof?«
Haylas Kopf ruckte hoch, und verwirrt blickte sie ihm in die Augen.
»Es handelt sich nicht um den Bischof, Mylord.« Sie stockte, und Bosgard wunderte sich, warum Hayla plötzlich so förmlich zu ihm sprach, aber er sollte es gleich erfahren. »Eure … Verlobte ist angekommen, Mylord. Ich habe der Dame und ihrer Kammerfrau das Gemach im südlichen Anbau gegeben und hoffe, es ist alles zur ihrer und Eurer Zufriedenheit.«
Bosgard taumelte einen Schritt zurück. Verwirrt griff er sich an die Stirn. Er glaubte, sich verhört zu haben.
»Verlobte? Was für eine Verlobte?«
Hayla hob wieder den Blick, und jetzt blitzte für einen Moment Zorn in ihren veilchenblauen Augen auf.
»Ach, gibt es in Eurem Leben so viele Damen, denen Ihr die Ehe versprochen habt, dass Ihr nicht wisst, um welche es sich handelt?« Sie lachte kurz auf, aber es war ein bitteres Lachen. »Seht selbst, um welche Verlobte es sich handelt, Mylord de Briscaut. Ich indes habe zu tun. Ihr entschuldigt mich …«
Entschlossen wandte sie sich von Bosgard ab und verließ die Halle. Bosgard war zu verwirrt, um etwas zu sagen oder ihr nachzugehen. Von welcher Verlobten hatte Hayla gesprochen? Es gab nur eine Frau, der er die Ehe versprochen hatte, und das war sie selbst. Da Bosgard nicht davon ausging, Haylas Verstand hätte plötzlich gelitten, blieb ihm nur übrig nachzusehen, wer sich in seinem Haus einquartiert hatte und die Frechheit besaß, sich als seine Braut auszugeben. Zwei Stufen auf einmal nehmend, lief er nach oben und klopfte an die Tür der besagten Kammer. Gleich darauf wurde geöffnet, und Bosgard sah in das Gesicht einer hageren älteren Frau, die er nie zuvor gesehen hatte.
»Wer seid Ihr? Und was wollt Ihr in meinem Haus?« Barsch fuhr er die Frau an, die daraufhin beinahe ängstlich zurückwich. »Na, los, sagt schon: Was wird hier gespielt?«
Aus einer Ecke der Kammer erklang ein glockenhelles Lachen, das ihm entfernt bekannt vorkam.
»Aber mein lieber Bosgard, du erschreckst meine Kammerfrau mit deiner Unfreundlichkeit.«
Bosgard glaubte zu träumen, als er in das Gesicht von Constance Aubrey blickte. Sie hatte ihr Übergewand abgelegt und stand mit gelöstem Haar, das ihr bis auf die Mitte des Rückens fiel, vor ihm. Wie, in aller Welt, kam ausgerechnet sie nach Penderroc?
»Lady Constance …« Er stockte und musterte die junge Frau von oben bis unten. »Habt Ihr Euch etwa als meine Verlobte ausgegeben?«
Die Vorstellung, ausgerechnet Constance Aubrey zu heiraten, war so lächerlich, dass die Anspannung von Bosgard abfiel und er laut zu lachen begann.
»Ich habe mich nicht dafür ausgegeben«, antwortete Constance hochmütig, wobei sie das letzte Wort betonte. »Es ist der Wunsch des Königs, dass wir uns so bald wie möglich vermählen.«
Bosgard konnte nicht aufhören zu lachen. Die Situation war so grotesk, dass er keinen Ärger über Constances Anmaßung empfand, sondern über alle Maßen belustigt war. Er
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