Geliebter Rebell
Schwelle.
Gayle lag im Bett, in einem dünnen weißen Nachthemd, und glich einem schönen, unschuldigen Engel. Er biß auf seine Unterlippe, ging zu ihr und versuchte sich neben ihr auszustrecken, ohne sie zu wecken. Trotzdem zuckte sie zusammen, sobald er die Matratze berührte.
»Ich bin es nur.« Er bemühte sich möglichst beiläufig zu sprechen, was ihm gründlich mißlang. Kein Wunder, – nachdem er sich nicht erklären konnte, warum er auf dem Boden des Ballsaals geschlafen hatte.
»Brent…« murmelte sie gähnend und richtete sich auf.
Er schlüpfte unter die Decke und wollte Gayle in die Arme nehmen, aber sie schien vor ihm zurückzuweichen. »Wen hast du denn erwartet?« Ein armseliger Scherz…
Kühl starrte sie ihn an, ohne zu fragen, wo er die vorangegangene Nacht verbracht hatte. Ihr Blick machte ihm angst.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte sie und meinte es ernst. »Ich weiß nicht mehr, wen ich erwarten soll.«
»Was heißt das? Wovon redest du?«
»Du kannst es nicht länger verdrängen, Brent. Frag mich doch, was du da unten gemacht hast.«
Irgendwie schaffte er es, seinem Seufzer einen ungeduldigen Klang zu verleihen. »Okay, ich habe also wieder mal geträumt.
Aber ich verspreche dir, es wird nicht noch mal passieren.«
»Ach, hör doch auf!« Angewidert schlug sie die Decke zurück, sprang aus dem Bett und trat ans Fußende; um Brent zu beobachten. »Du hast es wieder getan – du hast Jekyll und Hyde mit mir gespielt.«
Sein Herzschlag beschleunigte sich. »Habe ich – dich verletzt?«
»Nein.« Kummer und Bitterkeit erfüllten das Wort, und er schluckte unglücklich, überlegte verzweifelt, was er sagen sollte. »Wo hast du letzte Nacht geschlafen?« fragte sie.
Zerknirscht lächelte er. »Tut mir leid, Gayle, ehrlich. Ich war in der alten Spinnerei, in einem der Dienstbotenquartiere. Du hattest mich so erschreckt mit all diesem Geisterquatsch. Und ich konnte mich einfach nicht durchringen, an einer Seance teilzunehmen.«
»Ich bin die ganze Nacht wach geblieben und habe auf dich gewartet.«
»Verzeih mir, ich wollte dich nicht kränken. Ich musste nur für eine Weile allein sein.«
Sie senkte den Kopf. »Gestern war ich bei ihr – bei dieser Parapsychologin.«
»Was?« Wütend setzte er sich auf und rückte ans Fußende des Betts. »Du wusstest, wie ich darüber denke – und trotzdem warst du dort?«
Sie trat einen Schritt zurück. »Ja, ich wusste, wie du darüber denkst. Aber interessiert es dich etwa, was
ich
denke? Ich ertrage das alles nicht mehr!«
Seine Kinnmuskeln spannten sich an. »Du warst es doch, die mir in jener Nacht die Augen auszukratzen versuchte. Nicht einmal das habe ich dir vorgeworfen.«
»Brent! Du bist größer und stärker als ich, du kannst dich verteidigen…«
»Darauf werde ich mich besinnen, wenn du zu einem Messer greifst.«
»Du Ekel!« fauchte sie. »Du mit deinem widerlichen Ego und deiner Kaltblütigkeit!«.
»Du sagtest doch, ich hätte dir nicht weh getan…«
»Oh, wie ich das alles hasse! Nein, ich bin nicht tödlich verwundet, aber ich halte es nicht mehr aus, herumgestoßen zu werden, bedroht und…«
»Und vergewaltigt?« ergänzte er bissig und rieb sich die Augen. »Ich kann diesen Unsinn immer noch nicht glauben.
»Du hast doch die blauen Flecken gesehen, die ich dir verdanke.«
»Okay, okay. Und was sagt die Geisterbeschwörerin?«
Gayle starrte ihn an und holte tief Atem. »Sie glaubt, wir wären uns schon in einem früheren Leben begegnet und hätten uns geliebt, vor etwa zweihundert Jahren. Ich hieß Karrina, und dein Name war Percy. Damals muss irgendwas geschehen sein, das unsere jetzigen Probleme verursacht.«
Ein paar Sekunden lang sah er sie nur an, dann brach er in Gelächter aus. »Und auf diesen Quatsch bist du reingefallen?« Er stand auf, wollte nach ihr greifen, doch sie wich ihm aus.
»Das ist kein Quatsch! Meinst du, für mich war’s so leicht, daran zu glauben? Aber es ist wahr. Diese Nacht hat meine letzten Zweifel beseitigt. Verdammt, Brent, wie du weißt, hattest du schon davor zwei totale Blackouts, und trotzdem nimmst du nicht ernst, was ich dir erkläre. Geh doch zu dieser Frau! Dann wirst du alles verstehen. Tina und Geoff…«
»Du hast Geoff mitgenommen? Und Tina? Du hast dich und mich vor unseren lieben Freunden zum Narren gemacht?«
»Sie sorgen sich um mich, was ich von dir nicht behaupten kann.«
»Gayle, Gayle, Gayle!« Müde sank er aufs Bett. »Okay, irgendwas stimmt
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