Geliebter Schuft
dazu entschlossen«, sagte er und atmete-den Duft seines Port ein. Er wies mit einer Kopfbewegung auf ihr Glas. »Sagen Sie, ob er Ihnen zusagt.«
Constance meinte: »Warum sollten Sie auf Ihre Autofahrt verzichten? Eine sehr anregende Art der Fortbewegung, wie man hört«, fügte sie mit einem wehmütigen Unterton hinzu.
»Das ist es. Und doch würde ich für eine Zugfahrt mit Ihnen gern darauf verzichten.«
Hielt er sie wirklich für so naiv, dass sie sich von dieser plumpen Schmeichelei entwaffnen ließ? »Mr. Ensor, Sie sind sehr versiert in der Wahl Ihrer Worte«, bemerkte sie, enttäuscht von diesem wenig subtilen Annäherungsversuch, obwohl von einem Mann, der Frauen nur als Stereotypen sah, wenig mehr zu erwarten war als abgeschmackte, wenn auch bewährte Verführungsstrategien.
»Dies impliziert eine gewisse Unaufrichtigkeit, Miss Duncan«, sagte er und schnitt ein Stück von seinem Stilton ab.
»Das eine schließt das andere jedenfalls nicht aus«, gab sie zurück und wechselte das Thema. »Wir nehmen meist den Mittagszug von der Waterloo Station aus. Er trifft um drei in Manchester ein und hat Anschluss an den Zug nach Romsey, der um halb vier am Ziel ist. Wir werden dort abgeholt.«
»Soll ich das als Aufforderung auffassen, mich mit Ihnen am Bahnhof zu treffen?« Er trank einen Schluck von seinem Port, entschlossen, nicht nachzugeben, wenngleich Miss Duncan die schwierigste Dinnerpartnerin war, mit der er je zu tun gehabt hatte.
»Bitte, tun Sie das.« Sie hob ihr Glas und lächelte ihm über dessen rubinrotem Inhalt zu. Feindseligkeit war ihrer Sache nicht förderlich, und ihm war anzusehen, wie entnervt er war. Sie musste ihre Zunge ein wenig zügeln.
»Ich hatte heute wegen meiner Bemerkung über die Gouvernante Ihrer Nichte Gewissensbisse«, sagte sie und schälte eine Traube mit ihrem Messer.
»Ach?« Er war sofort ganz Ohr. »Warum das? Was hat Miss Westcott denn mit Ihnen zu tun?«
Constance schälte die nächste Traube, um seinem Blick nicht begegnen zu müssen. »Natürlich nichts. Und deswegen ist es mir unangenehm, was ich auf der Soiree der Beekmans sagte. Als ich mich über ihre Fähigkeiten äußerte, hatte ich ja keine Ahnung von ihrer prekären Situation.«
»Da Miss Westcott wiederum von Ihrem Fehlurteil keine Ahnung hat, können Sie Ihr schlechtes Gewissen beruhigen«, erwiderte er trocken, noch immer so aufmerksam wie zuvor. Er nahm an, dass sie eben eine Eröffnungssalve abgefeuert hatte, die ihn von der Generalattacke ablenken sollte.
Constance hob ihren Blick und schenkte ihm ein entwaffnendes Lächeln. »Es ist ein wenig peinlich. Indem ich mich dafür entschuldige, dass ich schlecht von Ihrer Gouvernante sprach, übte ich indirekt Kritik an Ihrer Schwester.«
»Ja«, gab er zu. »Ich gestehe, dass ich zu gern wissen möchte, warum Sie ausgerechnet diese Sache verfolgen.« Ihr entwaffnendes Lächeln vermochte ihn nicht zu täuschen.
Constance begegnete gelassen seinem Blick und ließ den Vorwand fallen. »Sie waren es, der die Gouvernante verteidigte. Ich sage nur, dass ich nach den Bemerkungen Ihrer Schwester am heutigen Besuchsnachmittag Ihren Standpunkt teile.«
Er schürzte leicht die Lippen, fragte aber nur: »Kaffee?«
»Wenn Sie Ihre creme brülee nehmen.«
»Der Port hat mir den Appetit aufs Dessert verdorben.« Er nickte dem diskret im Hintergrund ausharrenden Kellner zu. »Sie meinen also, eine Mutter sollte es nicht kümmern, welche Ansichten, politische wie soziale, jene vertreten, in deren Obhut sie ihre Kinder gibt?«
»Ich bin der Meinung, dass sie nicht das Recht hat, in die Privatsphäre ihrer Angestellten einzudringen«, erwiderte Constance. »Wenn sie ihre Ansichten für sich behalten, gehen sie niemanden etwas an. Ist Miss Westcott imstande, sich zu behaupten?«
»Eher nicht«, musste Max zugeben, der sich bemühte, seine Miene neutral zu halten.
»Wie lange ist sie schon bei Ihrer Schwester?«
»Ach, ich glaube, sie hält es schon fast zehn Monate aus. Mindestens sechs Monate länger als alle anderen.«
Co n stance argwöhnte, dass er sie mit dieser kleinen Unverschämtheit zu provozieren versuchte, doch sie ließ sich nicht hinreißen. »Ist sie sehr jung?« Sie goss Kaffee aus dem edlen Porzellankännchen, das diskret gebracht worden war, in zwei Tassen. Der Kellner nahm eine Tasse und stellte sie vor Max hin.
»Sie ist eine erwachsene Frau«, sagte Max und nahm mit der silbernen Zange ein Stückchen Zucker aus der Schüssel. »Warum
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