Geliebter Schuft
verriet ihr, dass sie Recht hatte. »Und außerdem stinkt es.«
Das ist die Revanche. Constance musste es, wenn auch widerwillig, akzeptieren. Sie folgte ihren Schwestern zur Tür. »Wir sind gleich wieder da.«
Max schenkte sich noch ein Glas ein und ließ den Blick müßig durch den Raum wandern. Es war ein hübscher, wohnlicher Salon, schon ein wenig schäbig geworden, aber umso behaglicher. Als er zum Sekretär ging, fiel sein Blick auf eine Ausgabe von The May fair Lady. Es war nicht weiter verwunderlich, die Zeitung hier vorzufinden, da er wusste, dass sie in diesem Haus gelesen wurde. Er wandte sich wieder ab, drehte sich dann blitzartig noch einmal um. Ihm war etwas aufgefallen. Etwas sehr Seltsames. Er griff nach der Zeitung und starrte das Datum an. Montag, 11 . Juli. Aber bis dahin waren es noch zwei Wochen. Was also hatte eine Probenummer hier zu suchen?
Aber natürlich ... ganz klar. Die Duncan-Schwestern waren die Herausgeberinnen. Sein anfängliche Ahnung hatte ihn nicht getrogen.
Er hörte Stimmen auf dem Korridor, ließ die Zeitung auf den Schreibtisch fallen und trat rasch ans Fenster. Als die Tür geöffnet wurde, blickte er unschuldig hinunter in den dunklen Garten, das von neuem gefüllte Glas in der Hand.
Constance spürte sofort eine Veränderung an ihm. Eine plötzliche Anspannung zwischen den Schultern, die veränderte Kopfhaltung. Er drehte sich um und sagte: »Was für ein hübscher Raum das ist.«
»Ja, hier war Mutters bevorzugter Aufenthaltsort, und ihr Geist ist immer noch zu spüren. Seit ihrem Tod wurde hier nichts verändert.« Constances Blick schoss im Raum hin und her und fiel auf den Sekretär und die Zeitung, die dort lag. Wie hatte sie nur so achtlos sein können? Hatte er sie gesehen? Sollte sie ihn fragen, ganz beiläufig, und seine Reaktion abwarten?
Ein lächerliches Dilemma. Sie wollte seine Aufmerksamkeit nicht auf etwas lenken, das er vielleicht gar nicht bemerkt hatte. Und selbst wenn er das Blatt gesehen hatte, war ihm vielleicht das Datum nicht aufgefallen. Da man aktuelle Ausgaben überall sah, war das Vorhandensein der Zeitung nicht weiter bemerkenswert. Hatte er sie aber gesehen und bemerkt, dass es sich nicht um die aktuelle Ausgabe handelte, wusste ganz Mayfair morgen Abend um ihr Geheimnis, wenn es ihm beliebte, es zu verraten. Natürlich würde er das nicht tun. Zumindest nicht ohne Rücksprache mit ihr. Da war sie ganz sicher. Oder nicht?
Beiläufig ging sie zum Sekretär, um ebenso beiläufig die Papiere zu ordnen, die auf der Schreibfläche lagen. Ihr Blick huschte zu ihm hinüber, er aber schien gar nicht wahrzunehmen, was sie machte. Das beweist gar nichts, dachte sie, doch im Moment war keine Zeit, um sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
»Also, ist das für diese Drecksarbeit passend?«, fragte Chastity munter. »Das sind unsere ältesten Sachen.«
Max betrachtete sie mit schräg gelegtem Kopf, während er überlegte. Die schweren Baumwollschürzen verhüllten alles, so dass man nicht sehen konnte, was darunter war.
»Und Handschuhe haben wir auch.« Prudence zeigte ihm die dicken Baumwollhandschuhe. »Die Hausmädchen tragen sie beim Reinigen der Kaminroste.«
»Es geht«, sagte er. »Also, fangen wir an.«
Constance ging ihnen voraus. Sie stiegen zwei Treppen tiefer in die große, im Kellergeschoss gelegene Küche. Drei Öllampen standen auf dem massiven Tisch.
»In den Stallungen gibt es kein Gaslicht, wir müssen Öllampen nehmen. Jenkins füllte sie auf, und schnitt die Dochte für uns zurecht«, erklärte Constance. »Bist du sicher, dass wir sonst nichts brauchen?«, fragte sie zweifelnd. »Ein Messer oder so?«
»Ich sagte schon, dass ihr den Wagen nicht beschädigen werdet ... es wird nicht einmal einen Kratzer im Lack geben«, sagte er und folgte ihnen in den kleinen Hof hinter der Küche. Er hatte das Gefühl, einem Trio von Florence Nightingales zu folgen, als sie mit raschelnden Schürzen, die Lampen hoch haltend, vorausschritten. Drei zum Äußersten entschlossene Damen mit Lampen. Wie hatte er nur in diese absurde Lage geraten können?
Sie überquerten den Hof und betraten den Stalltrakt durch ein Tor. Die Stallungen lagen in Finsternis getaucht da, auch das Quartier des Kutschers im Oberstock war dunkel. In der Luft lag der Geruch von Heu, Pferden und Mist. Als sie über das Kopfsteinpflaster gingen, war das Wiehern der Pferde zu hören.
»Hier drinnen«, flüsterte Prudence und drehte einen Schlüssel in der Doppeltür
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