Geliebter Teufel
sich Sorgen um Ramon, und das mit Recht. Carly war überzeugt, daß sie, wenn sie an ihrer Stelle stünde, alles tun würde, um ihn zu schützen. Andererseits würde sie, wenn sie tatsächlich zusammengehörten, auch dafür sorgen, daß er sich keiner anderen Frau zuwandte.
Der Gedanke erschreckte sie. Ramon de la Guerra war ein Bandit, vielleicht sogar ein Mörder, wie ihr Onkel behauptet hatte. Sie würde ihn ausliefern müssen - oder nicht? Es war ihr nicht ganz wohl bei dem Gedanken, daß sie ihr Wort vielleicht brechen mußte.
Mit der Ausrede, sie habe Kopfschmerzen, zog sich Carly nach dem Essen mit Pedro und Florentia früh in ihr eigenes Schlafzimmer zurück und ging dann in dem kleinen Raum unruhig auf und ab. Um Mitternacht, so wie Miranda versprochen hatte, erklangen ihre leisen Schritte draußen unter dem Schlafzimmerfenster.
»Señorita McConnell?«
»Ich bin hier, Miranda.« Sie stand neben dem offenen Rahmen, zog aber nicht die dünne Gardine beiseite.
»Morgen früh in der Dämmerung wird einer mit dem Karren nach San Juan Bautista fahren, um Lebensmittel einzukaufen. Ein Vaquero namens Francisco Villegas hat die Aufgabe übernommen. Er tut alles für ein bißchen Gold. Ich habe ihn bezahlt, damit er Sie aus den Bergen führt. Wenn er in die Nähe der Ranch Ihres Onkels kommt, wird er Ihnen zeigen, welchen Weg Sie einschlagen müssen.«
Carly schloß die Augen. Ein Glücksgefühl erfaßte sie. »Ich habe verstanden.«
»Sie müssen vor Sonnenaufgang hinten auf die Ladefläche des Karren klettern. Er wird nicht weit von diesem Fenster weg stehen.«
»Das werde ich machen.«
»Versprechen Sie mir, daß Ramon sicher sein wird?«
Carly holte tief Luft, um ruhig zu antworten. »Das verspreche ich Ihnen.«
»Falls Sie lügen und jemandem sagen, ich hätte Ihnen zur Flucht verholfen, werde ich Sie umbringen. Haben Sie mich verstanden?«
Nervös befeuchtete Carly ihre Lippen. »Ja.«
Kies knirschte unter dem Fenster, als die Frau wegging, und Carly atmete erleichtert auf. Sie hatte keine Ahnung, was auf sie zukommen würde, so wenig wie sie wußte, was sie tun würde, sobald sie aus dem Lager geflüchtet war. Aber die Ereignisse waren in Gang gesetzt worden, und sie wollte den eingeschlagenen Weg gehen.
Stunden vergingen. Sie zog die Decken vom Bett. Die würde sie als Schlafunterlage benutzen, und wickelte das Umhängetuch, das der Don ihr geschenkt hatte, samt dem zweiten Rock und der Bluse, die Florentia ihr gebracht hatte, hinein. Auch nahm sie eine niedergebrannte weiße Talgkerze mit. Der etwa sechzig Zentimeter große Kerzenhalter war aus schwerem Eisen. Im Notfall würde er ihr als Waffe dienen. In den vergangenen zwei Tagen hatte sie bereits Nahrungsmittel gesammelt. Auch die packte sie, zusammen mit der Wasserkanne von der Kommode, in ein grobes Leinentuch und legte es zu dem übrigen Gepäck.
Sie flocht ihr Haar zu einem Zopf im Nacken, band ihn mit einer Kordel und legte sich schlafen. Doch sie wälzte sich hin und her, warf sich von einer Seite auf die andere und starrte blicklos an die Decke. Hoffentlich war es richtig, was sie tat!
Gegen vier Uhr gab sie auf, schrieb Florentia eine Notiz, auf der sie sie bat, kein Frühstück zu machen, da sie mit ein paar anderen Frauen im Morgengrauen zum Fluß aufgebrochen sei, um zu baden und ihre Sachen zu waschen. Sie würde später mit Tomasina etwas essen.
Irgend etwas mußte sie angeben, um sie davon abzuhalten, daß sie nach ihr suchten.
Es war kälter, als sie gedacht hätte. Deshalb holte sie das Umhängetuch heraus und schlang es sich um die Schultern. Dann schlüpfte sie in ihre Sandalen und kletterte mit ihrem Gepäck in der Hand aus dem Fenster.
Es war niemand in der Nähe des Karren. Sie kletterte hinten auf die Ladefläche und zog die Segeltuchplane über den Kopf. Minute um Minute verging, wuchs zu einer langen, zermürbenden Stunde an. Schließlich hörte sie Stimmen und das Klirren des Zaumzeugs, als die Pferde eingespannt wurden. Der Karren knarrte unter dem mächtigen Gewicht des Mannes, der auf den groben Holzsitz stieg. Francisco Villegas hieß er, hatte Miranda gesagt.
Es war noch kalt draußen, aber Schweiß rann ihr zwischen den Brüsten entlang. Ihre Hände waren feucht, und ihr Herz klopfte ungestüm. Als der Karren sein Tempo beschleunigte, holte sie den langen, schmiedeeisernen Kerzenständer aus ihrer Bettdecke und versteckte ihn unter ihrem Gepäckbündel. Dann wartete sie und achtete nicht auf die Stöße,
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