Geliebter Teufel
kommen jedem von uns einmal die Tränen.« Sanft streichelte er ihren Rücken, flüsterte ihr leise und ermunternde Worte zu, aber sie verstand sie kaum. Dennoch klangen sie so lieb, seine Stimme so zärtlich, so unglaublich schön. Sofort wußte sie, diese lieben, süßen Worte hatte sie bereits zuvor gehört. Irgendwo ... sie wünschte, sie könnte sich besser erinnern.
Mit tränenfeuchten Augen schaute sie zu ihm auf und bemerkte zum ersten Mal, daß seine Augen nicht nur braun waren, sondern mit goldenen Flecken durchwirkt.
»Bitte, Ramon«, flüsterte sie betroffen. »Bitte, sei mir nicht böse. Ich mußte es tun. Ich mußte einfach.«
»Es ist nicht deine Schuld, daß Villegas ...« Er schob sie ein wenig von sich und musterte sie genauer. »Du bist freiwillig mit ihm gegangen? Du wolltest fliehen?«
Unsicherheit erfaßte sie. Er hatte nicht gewußt, daß sie hatte davonlaufen wollen. Meine Güte, wie würde er jetzt reagieren? »Ich ... ich mußte gehen. Ich ... bitte ... versuch das zu verstehen.«
Er nahm sie erneut in die Arme und hielt sie fest umfangen. »Ich verstehe das, Cara. Mir ist klar, daß ich daran schuld bin.« Sacht faßte er unter ihr Kinn und strich behutsam über den blauen Fleck auf ihrer Wange. Dann küßte er sie. So zart wie ein Hauch war sein Kuß, mit dem er zum Ausdruck brachte, wie leid es ihm tat, was passiert war. Aus einem unerfindlichen Grund hätte sie am liebsten erneut angefangen zu weinen.
Da hob er sie auf seine Arme und ging mit ihr auf die Baumgruppe zu, wo er sein Pferd angebunden hatte.
»Ich hatte solche Angst«, gestand sie ihm und barg ihren Kopf an seiner Schulter. Mit jedem seiner Schritte fühlte sie an ihrer Wange, wie seine kräftigen Muskeln sich bewegten. »Wenn du nicht in dem Moment gekommen wärst, als ...«
Ramon schenkte ihr sein charmantes Lächeln. »Ich habe gesehen, welche Angst du hattest, chica. Du hast ihn so mächtig geschlagen, daß ihm fast der Kopf abgefallen wäre.« Er trug sie zu einem Platz unter einem dichtbelaubten Ahornbaum, ganz in der Nähe seines Hengstes, der friedlich graste, und stellte sie sacht auf den Boden. »Wir werden uns bald einen Lagerplatz für die Nacht suchen. Morgen kehren wir heim.«
Carly unterdrückte einen neuerlichen Tränenausbruch. Sie haßte die Vorstellung, nach Llano Mirada zurückkehren zu müssen. Aber wäre Ramon nicht gewesen, wäre es ihr weitaus schlimmer ergangen. Sie schaute zu dem hochgewachsenen, gutaussehenden Spanier auf. Er war ein Mann, wie sie ihn noch nie kennengelernt hatte, stärker, tapferer und anziehender als jeder andere. Und zärtlich. Sie hätte nie gedacht, wie zärtlich er sein konnte. Bei dem Gedanken zog sich ihr Herz zusammen.
»Fühlst du dich jetzt besser?«
»Ja«, antwortete sie, aber er hielt sie trotzdem in den Armen, und keiner von ihnen bewegte sich. Er stand dicht vor ihr, sie konnte seinen Puls am Hals klopfen sehen. Sie hatte die Hände leicht gegen seinen Oberkörper gestemmt, der sich mit jedem Atemzug hob und senkte.
Er faßte nach ihrer Wange und strich ihr das Haar aus der Stirn. »Als ich merkte, daß du weg warst... habe ich Angst bekommen.
Den Gedanken, daß dir etwas zustößt, konnte ich nicht ertragen.« Durch ihren Tränenschleier glaubte sie, seine goldbraunen Augen feucht schimmern zu sehen. Er schaute ihr ins Gesicht, als könnte er mit ihrem Blick bis in ihre Seele dringen. Augenblicke verstrichen. Sie war überzeugt, er wollte sie küssen. Doch er seufzte tief, wandte sich um und ging langsam weg.
Ramon überquerte die Lichtung und bemühte sich, nicht an Carly zu denken und an das, was beinahe geschehen wäre. Statt dessen griff er nach Vientos Zügeln und führte den Hengst zu Carly. Er umfaßte ihre Taille, hob sie in den Sattel und setzte sie rittlings auf das Pferd. Dann, mit einer raschen, gezielten Bewegung schwang er sich zu ihr hinauf und umfaßte sie. Noch immer spürte er deutlich, wie sie zitterte, empfand jeden winzigen Schauer, der durch ihren zierlichen Körper rann. Sein eigenes Herz hämmerte dumpf.
Nie zuvor hatte er solche Angst verspürt oder war so kurz davor gewesen, jegliche Beherrschung zu verlieren, als in dem Moment, wo er sie mit Villegas auf der Lichtung gesehen hatte. Er hatte sich zwingen müssen zu warten, sich die Zeit zu nehmen, die er brauchte, um die richtige Position einzunehmen. Cisco hatte so dicht vor Carly gestanden, daß er nicht hätte schießen können. Auch hatte er das innere Bedürfnis
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