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Geliebter Tyrann

Titel: Geliebter Tyrann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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um. Seine Freunde und Nachbarn standen stumm hinter ihm. Keiner von ihnen hatte in dieser Nacht auch nur eine Minute geschlafen.
    »Komm, wir wollen gehen«, sagte Travis und schlug Clay auf die Schulter. »Elijahs Frau bekommt vermutlich wieder ein Baby, und Abe packte die erstbeste Frau, die ihm vor die Augen kam.«
    Clay und Travis sahen sich einen langen Moment an. Sie glaubten beide nicht, daß es so gewesen sein konnte. Elijah war verrückt und absolut nicht harmlos. Abe war ein mürrischer aufbrausender junger Mann, der offen zeigte, wie sehr er den Pflanzern seiner Nachbarschaft ihren Reichtum neidete.
    Clay wandte sich ab, als jemand seinen Arm berührte. Janie stand hinter ihm, hielt ihm einen Korb voller Lebensmittel hin. »Nimm das«, sagte sie leise. Zum erstenmal, seit Clay sie kannte, waren ihre Wangen nicht rosig, ihr Gesicht war ganz fahl vor Kummer.
    Clay nahm ihr den Korb ab und drückte ihr dankbar die Hand. Dann sah er auf Travis und Wes zurück, die nebeneinander standen. Er nickte einmal, und die drei Männer gingen rasch zu Clays Schaluppe. Wesley rannte zuerst noch einmal zu seinem Boot hinüber, und als er wieder zu Clay und seinem Bruder stieß, trug er zwei Pistolen im Gürtel. Die Männer lösten im grimmigen Schweigen das Tau vom Steg und nahmen Kurs auf Simmons’ Farm.
    Den ganzen Tag über taumelte Nicole zwischen Schlaf und Bewußtlosigkeit hin und her. Als sie wieder zu sich kam, bildeten die Bäume, die über ihr vorbeizogen, ein unwirkliches Muster aus Schatten und Sonnenlicht. Isaac hatte sie auf ein Lager aus Lumpen und alten Futtersäcken gebettet. Das langsam dahintreibende Boot und der dumpfe Schmerz in ihrem Kiefer machten sie träge, ließen sie die Fesseln an Knöcheln und Handgelenken vergessen und das Tuch, das man ihr vor den Mund gebunden hatte.
    Das Flußsystem von Virginia ist unglaublich ausgedehnt. Abe segelte mit der kleinen Schaluppe in und aus den Seitenarmen, die wie ein Netz das Land zwischen zwei Flüssen durchzogen. Sie kamen durch Wasserwege, die so schmal waren, daß die beiden Männer die Ruder dazu benützen mußten, die Äste der Bäume beiseite zu drücken, die sich dem Boot entgegenstellten.
    »Abe, wo fahren wir hin?« fragte Isaac.
    Abe lächelte geheimnisvoll. Er hatte nicht die Absicht, seinen Bruder über sein Reiseziel zu informieren. Er hatte die kleine Insel vor Jahren entdeckt und sie seither mit dem Gedanken, daß sie ihm eines Tages nützlich sein könnte, im Gedächtnis behalten. Als sie die Frau an Bord genommen hatten, war Abe zunächst zu ihrer Farm gesegelt und hatte dort ihren Vater abgesetzt. Er wußte, daß die Männer dort bald auftauchen und nach der Frau forschen würden, und der alte Elijah würde sie so lange wie möglich aufhalten. Elijah würde niemals lügen und sagen, er wisse nichts von einer Entführung; doch es würde Stunden dauern, ehe jemand aus seinem Gebrabbel klug wurde. Abe lächelte über seine eigene Schläue. Nun hatte er nur noch den Jungen in Schach zu halten. Er sah zurück auf die Frau, die still und hilflos auf den Lumpen lag. Er lächelte und feuchtete seine Lippen an.
    Als die Sonne unterging, lenkte Abe das Boot ans Ufer.
    Isaac stand auf und runzelte die Stirn. Es war schon eine Stunde her, seit er zum letztenmal ein Haus gesehen hatte. Das Wasser, auf dem sie fuhren, war nur noch träger, grüner Schleim, die Luft faulig riechend und ungesund. »Laß uns wieder ablegen«, sagte Isaac, während er sich umblickte. »Niemand könnte in diesem Gestank leben.«
    »Genauso, wie ich es geplant habe. Spring ins Wasser und hole das Ruderboot, das dort festgebunden ist. Mach schon!« befahl Abe, als Isaac wieder den Mund zu einer Entgegnung öffnete.
    Isaac war viel zu sehr daran gewöhnt, seinem älteren Bruder zu gehorchen. Ihm gefiel das schleimige Wasser nicht, und während er sich noch umsah, glitt eine lange Schlange über die blasige Oberfläche. Er sprang über Bord und spürte, wie der grünlich-braune Modder ihm bis über die Knöchel hinaufquoll. Er watete durch den Schlamm, wobei ihm der schaumige Schleim bis zu den Knien hinaufschwappte, und band das kleine Ruderboot los. Er hüpfte hinein und manövrierte mit dem Ruder das Boot an die Backbordseite der Schaluppe.
    Abe stand über ihm auf dem Deck und hielt Nicole auf seinen Armen. Er reichte sie seinem kleinen Bruder hinunter und stieg dann selbst ins Ruderboot.
    »Leg sie auf den Boden und nimm die Riemen«, befahl er. »Wir haben immer noch

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