Geliebter Tyrann
Nicole nur so lange festhalten, bis diese Ehe zu Ende sei und Bianca inzwischen die Zeit nützte, um Clay zu heiraten.
Nun, als Isaac Nicole auf seinem Schoß hielt, konnte er sich nicht vorstellen, daß sie eine Lügnerin war und eine Frau, die es auf Clays Geld abgesehen hatte. Sie schien sich wirklich um Clay Sorgen zu machen. Doch Abe sagte, daß jede Frau, die einen Mann so ansah wie Nicole Clay, keine gute Frau sein konnte. Ehefrauen hatten gut zu sein, schweigsam und körperlich wenig anziehend wie ihre Mutter. Isaac war von Abes Worten ganz verwirrt worden; denn wenn er zu wählen hatte, würde er lieber eine Frau wie Nicole heiraten als so eine wie seine Mutter. Vielleicht gehörten er und Nicole zu der gleichen Sorte von Menschen - zu den sündigen und schlechten.
»Isaac!« rief Abe. »Hör auf, in den Tag hineinzuträumen! Sie kommt wieder zu sich, und ich will nicht, daß sie schreit. Stopf ihr den Knebel in den Mund!«
Isaac gehorchte seinem Bruder, wie er das sein ganzes Leben lang getan hatte. Langsam öffnete Nicole die Augen. Ihr Kiefer und der Kopf taten ihr schrecklich weh, und es dauerte einen Moment, ehe das Bild vor ihren Augen klar wurde. Sie versuchte, das Kinn zu bewegen; doch etwas hielt sie dort fest, würgte sie im Hals.
»Sei still«, sagte Isaac. »Bei mir bist du sicher.« Seine Stimme war ein Flüstern, nur für ihre Ohren bestimmt. »Ich werde dir sofort den Knebel aus dem Mund nehmen, wenn wir am Ziel sind. Schließ die Augen und ruhe dich aus.«
»Ist sie schon wach, die Tochter des Satans?« rief Elijah vom Vorderdeck seinem Jüngsten zu.
Nicole sah zu dem Jungen hoch, der sie hielt. Sie wollte keinem von diesen Männern trauen; aber sie hatte keine andere Wahl. Sie sah, wie er langsam ein Auge zukniff. Sie verstand und drückte die Lider wieder zu.
»Nein, Pa«, rief Isaac zurück. »Sie ist noch ohnmächtig.«
»Wes«, sagte Clay mit einer tiefen Falte zwischen den Brauen. »Hast du Nicole gesehen?«
Wes blickte von der hübschen Rothaarigen fort, die ihn mit verführerisch gesenkten Wimpern ansah. »Hast du sie schon verloren, Clay? Ich glaube, ich werde dir noch Unterricht geben müssen, wie man seine Frau behält«, meinte er scherzend.
Doch als er in das Gesicht seines Freundes sah, stellte er sofort seinen Bierkrug auf einen Tisch und ging mit Clay über den Rasen. »Du machst dir Sorgen, nicht wahr? Wie lange ist es her, seit du sie zuletzt gesehen hast?«
»Ich sah sie heute morgen. Sie schlief noch, als ich zum Rennplatz ging. Ellen sagt, sie habe Nicole die Treppe herunterkommen sehen; doch seither ist sie verschwunden. Ich habe auch noch ein paar andere Frauen gefragt; doch keine von ihnen will sie gesehen haben.«
»Wo ist Bianca?«
»Die ißt«, antwortete Clay. »Bei ihr habe ich mich zuerst erkundigt. Viel kann sie sowieso nicht anstellen. Mehrere Frauen bezeugten, Bianca habe sich den ganzen Tag über nicht einen Schritt von den Buffets wegbewegt.«
»Könnte Nicole vielleicht spazierengegangen sein? Vielleicht wollte sie eine Weile für sich allein sein?«
Clays Stirnrunzeln vertiefte sich. »Beim Mittagessen wollten wir verkünden, daß wir zu Weihnachten eine richtige Hochzeitsfeier planen. Wir wollten alle Anwesenden zu einer Party einladen.«
»Das Mittagessen fand vor einer Stunde statt«, murmelte Wes, während er mehrere von den Gästen beobachtete, die zur Mole hinuntergingen. Sie verließen die Party, um nach Hause zu fahren. »Sie würde das Essen um keinen Preis versäumt haben.«
»Nein«, sagte Clay tonlos. »Eben das würde sie nicht.«
Die Blicke der Männer kreuzten sich. Beide dachten an die Umstände von James’ und Beths Tod. Wenn selbst ein so gewandter Segler wie James ertrinken konnte...
»Laß uns Travis suchen«, schlug Wesley vor.
Clay nickte kurz und wandte sich dann den noch verbliebenen Gästen zu. Der Knoten in seinem Magen wurde größer...
Als die Versammelten nun erfuhren, daß Nicole vermißt wurde, reagierten alle sofort. Die Vergnügungen oder Unterhaltungen wurden sofort eingestellt. Die Frauen organisierten rasch einen Plan, wie man die Wälder in der Umgebung der Plantage durchkämmen müsse. Die Kinder rannten von einem Nebengebäude zum anderen und suchten dort nach Nicole. Die Männer gingen zum Fluß.
»Kann sie schwimmen?« fragte Horace.
»Ja«, sagte Clay, während seine Augen das Wasser absuchten, ob er einen kleinen, dunkelhaarigen Körper erkennen konnte.
»Hast du Streit mit ihr gehabt?
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