Geliebter Tyrann
zu?«
Sie nickte stumm, während sich ihr der Magen umzudrehen begann.
»Sie werden mit mir zu dem Steg hinuntergehen, wo das Boot meiner Familie angebunden ist. Es ist nicht so elegant wie jenes, auf dem Sie hierhergekommen sind; aber gut genug für eine Frau wie Sie. Dann werden Sie ganz artig in das Boot steigen, und wir werden eine kleine Reise unternehmen.«
»Zu Clay?«
»Klar, Honey. Ich sagte Ihnen doch, es würde alles gut werden, wenn Sie nur das tun, was ich Ihnen befehle.«
Nicole nickte, und die Hand des Mannes bewegte sich zu ihrem Ellenbogen hinunter. Sein Griff war genauso hart wie zuvor. Nicole war nur von dem Gedanken beherrscht, daß Clay sich in einer Gefahr befand und sie ihm helfen müsse.
Er führte sie zum anderen Ende der Mole, wo noch zwei Männer in einer alten geflickten Schaluppe warteten. Einer davon war ein alter Mann, dürr und schmutzig, mit einer Bibel unter dem Arm. »Da ist siel« sagte er laut. »Eine Isebel, eine gefallene, sündige Frau.«
Nicole funkelte den Mann an, wollte etwas sagen, doch der Mann, der ihren Arm hielt, gab ihr einen heftigen Stoß. Sie fiel hart gegen den jüngeren Mann.
»Ich sagte Ihnen doch, daß Sie still sein sollen«, knurrte der Mann, der ihr den Stoß gegeben hatte. »Paß auf sie auf, Isaac, und sorge dafür, daß sie keinen Laut von sich gibt«
Nicole sah zu dem Jungen auf, der seine Hände auf ihre Schultern legte. Seine Berührung war sanft. Sein Gesicht war weicher als das der anderen beiden Männer. Sie fiel nach vorne, als die Schaluppe vom Steg ablegte, und der Junge stützte sie. Sie blickte auf Backes’ Haus zurück. Dort ritt Clay, einen großen weißen Hut auf dem Kopf, über den Rasen. Das Pferd, das er ritt, hatte einen Kranz aus Blumen um den Hals. Er hatte offenbar gerade ein Rennen gewonnen und feierte seinen Sieg.
Nicole erfaßte die Situation sofort. Die Männer hatten Clay gar nicht in ihre Gewalt gebracht. Sie wußte, sie war noch so nahe beim Haus, daß man ihren Schrei dort hören konnte. Sie öffnete den Mund und füllte ihre Lungen mit Luft; doch sie brachte den Schrei nicht mehr heraus, weil eine große, harte Faust sie ins Gesicht schlug. Sie fiel bewußtlos in Isaacs Arme.
»Du hattest keine Veranlassung, das zu tun, Abe!« sagte Isaac, während er Nicoles schlaffen Körper stützte.
»Klar hatte ich das! Wenn du sie nicht mit so blinden Augen angestarrt hättest, würdest du gesehen haben, daß sie schreien wollte.«
»Du hättest sie auch auf andere Weise zum Schweigen bringen können«, sagte Isaac. »Du hättest sie umbringen
können!«
»Zweifellos würdest du sie mit Küssen zum Schweigen gebracht haben«, meinte Abe höhnisch. »Ich bin überzeugt, daran ist sie gewöhnt. Am besten kümmerst du dich jetzt um sie. Ich und Pa werden Wache halten.«
»Du führst sündige Reden, Junge!« sagte Elijah Simmons. »Diese Frau ist eine Hure, eine Sünderin, und wir halten sie nur fest, um ihre Seele zu retten.«
»Klar, Pa«, sagte Abe und sah Isaac mit zusammengekniffenen Augen an.
Isaac blickte von seinem Bruder fort, während er Nicole mit beiden Armen stützte. Er ignorierte Abes anzügliches Grinsen. Er hielt sie fest, während er sich auf das Deck setzte, den Rücken gegen die Reling gestemmt. Er hatte nicht gewußt, daß sie so zierlich war, daß sie mehr einem Kind als einer erwachsenen Frau glich.
Er zog eine Grimasse, als Abe ihm einen Strick und ein schmutziges Taschentuch hinwarf und ihm befahl, sie zu fesseln. Wenigstens wußte er, daß er ihre schöne Haut nicht verletzen würde, wenn er diese Aufgabe übernahm.
Er hatte gestern den ganzen Tag mit sich gerungen, seit Abe ihm erzählt hatte, daß sie die hübsche kleine Mrs. Armstrong entführen würden. Abe hatte ihrem Vater erzählt, daß Clay tatsächlich mit ihrer Cousine Bianca verheiratet sei; daß aber diese Hure Nicole Clay verhext hätte, bis er Bianca verlassen hatte und mit dieser französischen Schlampe zusammen lebte. Das hatte Elijah genügt. Er war bereit, dieses Mädchen zu steinigen.
Isaac war von Anfang an gegen die Entführung gewesen. Er war sich nicht sicher, ob er alles glauben konnte, was Bianca sagte, selbst wenn sie seine Cousine war. Sie war nicht gerade begeistert gewesen, als sie am ersten Tag der Party mit ihr gesprochen hatten. Aber Abe hatte ihm dauernd mit den Argumenten in den Ohren gelegen, was für eine Ungerechtigkeit es wäre, daß Nicole an die Stelle ihrer Cousine treten sollte. Er sagte, sie würden
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