Geliebter Tyrann
für die Bauern gemahlen hatte.
Niemand schien auch nur in Betracht zu ziehen, daß die Zwillinge zu Clay zurückkehren sollten; und Nicole faßte das als Vertrauensbeweis auf. Einmal wöchentlich ruderte Isaac mit den Kindern über den Fluß, damit sie ihren Onkel besuchen konnten.
»Er sieht schlimm aus«, sagte Isaac, als er einmal von einem Besuch zurückkam.
Nicole fragte gar nicht erst, wen er damit meinte. Trotz ihrer vielen Arbeit war sie mit ihren Gedanken nie weit weg von Clay.
»Er trinkt zuviel. Ich hatte gar nicht gewußt, daß er trinkt.«
Nicole wandte sich ab. Sie sollte sich freuen, daß er so unglücklich war, weil er sein Unglück gewiß verdiente. Doch irgendwie war sie nicht froh darüber. Sie ließ Isaac stehen und ging in den Gemüsegarten. Vielleicht würden ein paar Stunden Arbeit mit der Hacke sie von ihren Gedanken an Clay ablenken,
Eine Stunde später lehnte sich Nicole gegen einen Baum und wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß vom Gesicht.
»Hier, ich habe Euch etwas gebracht«, sagte Gerard und reichte ihr ein Glas voll kühler Limonade.
Sie nickte dankbar und trank das Glas auf einen Zug leer.
Gerard wischte ein paar Grashalme vom Ärmel ihres Baumwollkleides. »Ihr solltet nicht so lange hier draußen in der Sonne weilen. Ihr werdet Euren schönen Teint verderben.« Er fuhr mit der Hand über ihren Arm.
Nicole war zu müde, um sich seiner Berührung zu entziehen.
Sie standen im tiefen Schatten, wo man sie vom Haus oder der Mühle aus nicht sehen konnte.
»Ich bin froh, daß wir einmal unter uns sind«, sagte er und bewegte sich noch dichter an sie heran. »Es ist seltsam, daß wir unter demselben Dach leben, doch selten eine Gelegenheit haben, allein zu sein und uns ungestört unterhalten zu können.«
Nicole wollte ihn nicht verletzen, ihn aber auch nicht ermutigen. Sie wich einen Schritt zur Seite. »Ihr könnt jederzeit mit mir reden. Ich hoffe, das wißt Ihr auch.«
Er kam wieder näher, fuhr mit der Hand an ihrem Arm auf und ab und streichelte ihn. »Ihr seid die einzige hier, die mich versteht.« Er sprach französisch, brachte sein Gesicht ganz nahe an das ihre heran. »Wir kommen aus demselben Land, gehören demselben Volk an. Keiner weiß außer uns, wie es jetzt in Frankreich aussieht. Das bindet uns aneinander.«
»Ich betrachte mich jetzt als Amerikanerin«, antwortete sie ihm auf Englisch.
»Wie könnt Ihr nur? Ihr seid Französin, ich bin ein Franzose. Wir gehören beide zu der großen Familie der Courtalains. Wir könnten dafür sorgen, daß die Familie nicht ausstirbt.«
Nicole drückte die Schultern durch und funkelte ihn an. »Was nehmt Ihr Euch heraus?« sagte sie empört. »Vergeßt Ihr meine Mutter? Ihr seid verheiratet, und doch macht Ihr mir einen Antrag, als wäre ich ein Küchenmädchen.«
»Wie kann ich sie vergessen, wenn ihre Schreie mich fast verrückt machen? Glaubt Ihr, es gäbe einen Moment, an dem ich mir nicht bewußt wäre, daß ich an sie gebunden bin? Was kann sie mir geben? Kann sie mir Kinder schenken? Ich bin ein Mann, ein gesunder Mann, und verdiene, Kinder zu haben.« Er packte sie, zog sie an sich, »Ihr seid die einzige, die das kann. In diesem heidnischen Land seid Ihr die einzige, die es wert ist, die Mutter meiner Kinder zu sein. Ihr seid eine Courtalain! In den Adern unserer Kinder würde das Blut von Königen fließen.«
Es dauerte eine Sekunde, ehe Nicole begriff, was er da sagte. Sie spürte, wie sich ihr der Magen umdrehte, als sie verstand, was er meinte. Sie hatte keine Worte, mit denen sie ihre Gefühle ausdrücken konnte. Sie gab ihm eine heftige Ohrfeige.
Gerard ließ sie sofort los und griff sich mit der Hand an die Wange. »Das werdet Ihr mir büßen«, flüsterte er. »Ihr werdet bereuen, daß Ihr mich behandelt habt wie einen von diesen schmutzigen Amerikanern. Ich werde Euch zeigen, wer ich bin.«
Nicole drehte sich um und ging in den Garten zurück. Janie hatte Gerard also doch richtig eingeschätzt. Sie schwor sich, so oft wie möglich diesem kleinen Franzosen aus dem Weg zu gehen.
Zwei Wochen später brachte Wes die Nachricht, daß Clayton Bianca geheiratet hatte.
Nicole versuchte, bei dieser Neuigkeit nicht ihre Erschütterung zu zeigen.
»Ich versuchte, es ihm auszureden«, berichtete Wes. »Aber du weißt ja, wie stur Clay ist. Er hat nie aufgehört, dich zu lieben. Als er von der Annullierung seiner Ehe hörte, hat er sich vier Tage lang betrunken. Einer seiner Männer fand ihn
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