Geliebter Tyrann
werfen! Wie gern hätte sie ihm die Kleider zurückgegeben, sie in seiner Halle auf einen Haufen geworfen. Doch diese kleine Demonstration würde sie zuviel Geld kosten. Auf der Party bei den Backes hatten nicht wenige Frauen ihre Kleider bewundert. Plötzlich dachte sie voller Bedauern an ihr mit Nerz gefüttertes Cape, das sie auf dem Boden der Höhle zurückgelassen hatte. Doch sie konnte nicht mehr dorthin zurück - nie mehr! Ihr Kopf war voller Pläne, als sie den einzigen Wohnraum ihres kleinen Hauses betrat. Janie war über das Feuer gebeugt, ihr Gesicht rot von der Hitze. Gerard saß am Tisch, betrachtete einen Krapfen und knallte ihn dann mit gerümpfter Nase auf den Teller zurück. Die Zwillinge saßen in einer Ecke und kicherten hinter einem Buch.
Janie blickte auf. »Es ist etwas passiert.«
»Nein«, sagte Nicole, »wenigstens nichts Neues.« Sie sah Gerard nachdenklich an. »Gerard, mir ist eben der Gedanke gekommen, daß Ihr einen ausgezeichneten Händler abgeben würdet.«
Er zog seine Augenbrauen in die Höhe. »Leute meines Standes...«, begann er.
Nicole schnitt ihm das Wort ab, während sie ihm gleichzeitig den Teller mit dem Krapfen wegnahm. »Wir leben in Amerika, nicht in Frankreich. Wenn Ihr essen wollt, müßt Ihr auch arbeiten.«
Er sah sie mürrisch an. »Was soll ich denn verkaufen? Ich habe keine Ahnung von Mehl und Korn.«
»Das Mehl verkauft sich von selbst. Ich möchte, daß Ihr ein paar hübsche junge Damen überzeugt, daß sie in Seide und Zobel noch hübscher aussehen würden.«
»Zobel?« sagte Janie. »Nicole, wovon redest du eigentlich?«
Nicole warf ihrer Freundin einen Blick zu, der sie zum Verstummen brachte. »Kommt mit mir nach oben, damit ich Euch die Kleider zeige.« Nicole drehte sich zu den Zwillingen um. »ünd ihr beide macht euch fertig zum Unterricht.«
»Aber Nicole«, mischte sich Janie ein, »du hast keine Zeit mehr dafür. Der Mahlsteinschleifer ist schon hier.«
»Nicht ich werde sie unterrichten«, sagte Nicole. »Im Oberstock wohnt eine sehr gebildete Frau, die sich nur zu gerne der Kinder annehmen wird.«
»Adele?« sagte Gerard spöttisch. »Sie versteht doch kaum, was man von ihr will, geschweige denn tut sie, was man von ihr verlangt.«
»Wir mögen die schreiende Lady nicht«, sagte Alex, nahm Mandys Hand und zog sich noch weiter in die Ecke zurück.
»Schluß damit!« sagte Nicole energisch. »Ich möchte keine Beschwerden mehr hören. Janie und ich führen nicht länger ein Hotel für Nichtstuer. Gerard, Ihr werdet mir helfen, Geld aufzutreiben, damit ich Land kaufen kann. Mutter wird sich der Kinder annehmen, und die Zwillinge bekommen eine Ausbildung. Von jetzt an sind wir eine Familie, nicht eine Aristokratie mit zwei Dienstboten.« Sie drehte sich um und ging die Treppe hinauf.
Janie grinste zu ihr hinauf. »Ich weiß nicht, was über sie gekommen ist; doch so gefällt sie mir!«
»Wenn sie glaubt, daß ich...«, begann Gerard.
Janie schwang einen heißen klebrigen Kochlöffel vor seinem Gesicht. »Entweder arbeitet Ihr, oder wir schicken Euch zurück nach Frankreich, und da könnt Ihr Euch den Kopf abhacken lassen oder Schuhe flicken wie Euer Vater. Habt Ihr kapiert?«
»Ihr könnt mich nicht so behandeln!«
»Ich kann und ich will. Und wenn Ihr Euch jetzt nicht schleunigst die Stiegen hinaufbewegt, wie Nicole es Euch anbot, könnte ich mich vergessen und Euer häßliches kleines Gesicht ohrfeigen!«
Gerard öffnete den Mund, um zu protestieren, klappte ihn jedoch wieder zu, als er Janies Faust vor seinem Gesicht sah. Sie war eine große, kräftig gebaute Frau. Er wich einen Schritt vor ihr zurück. »Wir sind noch nicht fertig miteinander.« Dann stieß er eine Reihe französischer Flüche aus und folgte Nicole die Treppe hinauf.
Janie drehte sich zu den Zwillingen um, blickte sie warnend an, schlug die Hände heftig zusammen und scheuchte sie zur Treppe.
18
Es war Wesley, der Nicole mit seinem Segelboot flußaufwärts brachte zu der Adresse, wo Dr. Donaldson jetzt wohnte und sie anschließend alle mitnahm zum Haus des Richters. Er sagte nicht viel, als Nicole ihm offenbarte, sie wolle ihre Ehe mit Clay annullieren lassen. Tatsächlich sagte keiner sehr viel, und es kam Nicole so vor, als glaubte jeder, diese Lösung sei unvermeidlich. Sie war wohl die letzte, die noch Vertrauen zu Clay hatte.
Es war überraschend, wie wenig Zeit es brauchte, eine Ehe zu beenden. Nicole hatte sich Sorgen gemacht. Da so viele Leute sie mit
Weitere Kostenlose Bücher