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Geliebter Tyrann

Titel: Geliebter Tyrann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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zurück.
    »Ich glaube, Sie können mich jetzt auch loslassen«, sagte Nicole leise.
    Sein Lächeln erlosch, und er sah sie verwirrt an. »Ich bin neugierig. Hatten Sie schon immer mit Schwierigkeiten zu kämpfen? Oder passiert Ihnen das erst, seit ich Sie kenne?«
    Sie lächelte mit leicht gekräuselter Oberlippe. »Ich habe mich selbst entführt, mich zu einer Ehe mit Ihnen gezwungen, und das alles nur zu Ihrem Vergnügen!« Ihre Stimme war voller Sarkasmus; doch Clay schien das zu überhören.
    Er blickte auf ihre bloßen Beine hinunter, die über seinen Armen lagen, auf das Kleid, das sich über ihre Knie hinaufgeschoben hatte und so eingeklemmt war, daß sie es nicht herunterziehen konnte. Er grinste: »Ich weiß nicht, was mir besser gefällt- das oder Ihr Anzug heute morgen, als Sie in dem Licht vor meinem Bett standen.«
    Als Nicole begriff, was er meinte, errötete sie heftig.
    Er setzte sie auf den Boden. »So gern ich bleiben und miterleben möchte, was jetzt noch passiert: ich muß zurück an meine Arbeit.« Immer noch lächelnd entfernte er sich auf die Felder zu.
    ln dieser Nacht konnte Nicole nicht schlafen. Sie sagte sich, das käme nur davon, weil es so ungemütlich warm sei. Nachdem sie einen dünnen Seidenmantel über ihr Nachthemd geworfen hatte und auf Zehenspitzen die Treppe zum Garten hinuntergegangen war, sah sie vor sich den dunklen Pfad mit den hohen Mauern aus Hecken, der zu dem gekachelten Bassin führte. Dort setzte sie sich auf den Beckenrand und ließ die Füße ins Wasser hängen.
    Die Nacht war voller Leben, durchzogen von dem Duft des blühenden Geißblatts, vom Zirpen der Grillen und dem Quaken der Frösche. Es war kühl und angenehm im Freien. Als sie sich zu entspannen begann, wurden auch ihre Erinnerungen wieder lebendig. In den Schreckensjahren und in dem Jahr, in dem sie sich mit ihrem Großvater in der Mühle versteckt hatte, hatte sie sich nie etwas vorgemacht. Sie hatte gewußt, daß eines Tages dieses Elend ein Ende haben würde, und nun war es geschehen.
    Nun drohte ihrem Leben abermals eine Katastrophe, nur daß sie sich diesesmal einredete, sie würde kein Ende haben. Sie war eine Französin, und Französinnen waren bekannt für ihren praktischen Verstand. Aber sie benahm sich wie ein törichtes, romantisches Kind.
    Sie mußte der Tatsache ins Auge blicken, daß sie sich in Clayton Armstrong verliebt hatte. Sie wußte nicht, wann das geschehen war, vielleicht schon bei ihrem ersten Zusammentreffen, als er sie geküßt hatte. Sie wußte nur, daß ihre Gedanken und Gefühle, ihr ganzes Dasein begonnen hatte, sich um diesen Mann zu drehen. Sie wußte, sie provozierte nur zu gerne seinen Ärger, damit er sie in seinen Armen hielt, und sie wollte in einem dünnen, kurzen Nachthemd vor ihm paradieren.
    Sie zog ihre Knie an den Leib und legte ihre Stirn darauf. Sie kam sich vor wie eine Frau von der Straße, weil sie sich so benahm. Doch sie wußte auch, daß sie alles tun würde, damit er sie berührte und in seinen Armen hielt.
    Aber was dachte er von ihr? Sie war nicht seine Bianca, wie er sie an jenem Abend in der Kajüte genannt hatte. Bald würde er sich von ihr befreien, und wenn sie die Plantage verließ, mochte sie ihn vielleicht nie Wiedersehen.
    Sie mußte sich auf das Ende vorbereiten. Die wenigen Tage auf der Plantage waren wunderbar gewesen; aber diese Tage waren gezählt. Sie hatte ihre Eltern sehr geliebt; doch man hatte sie ihr entrissen, und später hatte sie ihre Liebe auf ihren Großvater übertragen, und wieder war sie allein zurückgeblieben. Jedesmal, wenn sie ihr ganzes Herz verschenkte und man es ihr wieder aus dem Leibe riß, wollte sie sterben. Sie konnte so etwas nicht noch einmal durchmachen. Sie durfte nicht ihr Herz zu sehr an Clayton hängen, daß sie es schließlich nicht mehr ertragen konnte, ihn bei der Frau zu wissen, die er liebte.
    Sie blickte zu den dunklen Fenstern des Hauses hoch und sah etwas Glühendes, das nur die Spitze von Clays Zigarre sein konnte. Er wußte, daß sie hier am Rande des künstlichen Teiches saß und an ihn dachte. Sie wußte, daß sie in sein Bett steigen konnte, wenn sie das wollte; doch sie sehnte mehr als nur eine Nacht mit ihm herbei, so herrlich die eine auch sein würde. Sie wollte seine ganze Liebe für immer, wollte, daß er ihren Namen genauso ausspräche wie Biancas Namen.
    Sie richtete sich auf und kehrte ins Haus zurück. Der Treppenabsatz im Oberstock war leer, doch sie roch den Duft einer frischen

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