Geliebter Tyrann
Es gibt auf einer Plantage dieser Größe eben einfach so viel zu tun.«
»Wollten Sie damit andeuten, daß ich mich wieder an meine Arbeit machen soll?«
»Nein, natürlich nicht. Ich wollte bloß...«
»Da Sie offenbar nicht in der Lage zu sein scheinen, einen Satz zu Ende zu sprechen, überlassen Sie mir das. Sie arbeiten zuviel. Sie benehmen sich, als wären Sie eine von den Negersklavinnen, nur daß ich denen bloß halb so viel von dem zumute, was Sie hier leisten.« Er faßte nach ihrer Hand und zog sie an sich heran. »Maggie packt gerade einen Picknickkorb für uns, und wir beide werden uns für den Rest des Tages frei nehmen. Können Sie reiten?«
»Ja, aber...«
»Da ich Ihnen nicht gestatte, nein zu sagen, halten Sie wohl lieber den Mund.«
Er ließ ihre Hand nicht frei, als sie über den Hof zu den Ställen gingen, wo Clay eine Palomino-Stute für sie aussuchte, ihr einen Frauensattel auflegte, Nicole in den Sattel hinaufhob und dann in die Küche zurückkehrte. Maggie überreichte ihm mit einem breiten Lächeln die mit Proviant gefüllten Satteltaschen.
Sie ritten eine Stunde, ließen die Anhöhe hinter sich, auf der das Haus und die Dependancen standen, und trabten durch die Felder der Flußniederung. Das flache, fette Ackerland folgte der Windung des Flusses, die wie ein Band die Anhöhe umspannte, wo Baumwolle, Tabak, Flachs, Weizen und Gerste angebaut wurden. Im Osten des Hauses lag grünes Weideland, auf dem Rinder und Schafe getrennt weideten, und überall schienen ein paar Scheunen und Werkzeugschuppen zu den Weiden zu gehören. Sie hielten einmal an, um ein paar riesige Zugpferde mit Äpfeln zu füttern. Während ihr Clay erklärte, wie man hochwertige Baumwolle von minderen Sorten unterschied und wie man den Tabak nach der Ernte behandeln mußte, sah sie den Stolz auf seinen Besitz in seinen Augen leuchten und merkte, wie sehr er an seinem Land hing und wie sehr ihm das Wohl seiner Leute am Herzen lag.
Die Sonne stand hoch am Himmel, als Nicole über den Fluß blickte und etwas entdeckte, was ihr sehr vertraut war- ein Wasserrad. Während sie zwischen den Bäumen hindurch auf das Gebäude aus Feldsteinen und Ziegeln starrte, wurde sie von Erinnerungen überwältigt: Sie und ihr Großvater hatten immer ein Leben in Luxus geführt, und alle ihre Bedürfnisse waren gestillt worden, ehe sie überlegt hatten, ob es ihnen an etwas fehlte; doch als die Revolution sie dazu zwang, sich ein Versteck zu suchen, hatten sie gelernt, zu überleben. Sie hatten sich gekleidet wie der Müller und seine Frau, und sie hatten genauso hart gearbeitet wie die beiden. Nicole hatte zweimal in der Woche die Küche geschrubbt, und sie hatte gelernt, die Mühle zu bedienen, wenn die Männer das Mehl zustellen mußten.
Lächelnd deutete sie über den Fluß. »Ist das eine Getreidemühle?«
»Ja«, antwortete Clay ohne großes Interesse.
»Wem gehört sie? Warum steht sie still? Könnten wir sie besichtigen?«
Clay sah sie erstaunt an. »Welche Frage soll ich zuerst beantworten? Sie gehört mir, und sie steht still, weil ich niemanden angeheuert habe, der sie betreibt, und weil die Backes-Mühle mir mein Korn mahlt. Ja, wir können sie besichtigen. Ein Stück weiter den Hügel hinauf steht ein Haus. Sie können es gerade noch zwischen den Bäumen erkennen. Möchten Sie auf die andere Seite übersetzen?«
»Ja, gerne.«
Am Ufer war ein kleines Ruderboot vertäut, und Clay warf die Satteltaschen hinein, half Nicole beim Einsteigen und ruderte sie über den Fluß. Er blieb ein wenig zurück und sah ihr zu, wie sie den von Unkraut überwucherten Pfad hinaufstieg und die Mühle zu umkreisen begann.
»Sie scheint noch in gutem Zustand zu sein. Könnte ich auch die Steine des Mahlwerks besichtigen?«
Clay holte den Schlüssel für die Doppeltüren aus einem Versteck und sah zu, wie Nicole die Rillen in den Mühlsteinen begutachtete, wobei sie etwas von einer Müllergaze und einem guten Mahlstein-Einrichter murmelte. Als sie mit ihrer Inspektion zu Ende war, überschüttete sie ihn wieder mit Fragen, bis Clay protestierend die Hand hob.
»Vielleicht kämen wir schneller zu Ende, wenn ich Ihnen den ganzen Hergang erzähle«, sagte er. »Als mein Bruder noch lebte, konnten wir uns auch noch den Betrieb einer Mühle leisten; doch jetzt, wo ich alles allein machen muß, fand ich nicht mehr die Zeit, mich auch noch um die Mühle zu kümmern. Als der Müller im vergangenen Jahr starb, habe ich mich nicht nach einem neuen
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