Geliebter Tyrann
sehen, ich weiß kaum etwas von Ihnen. In den letzten Wochen habe ich... habe ich eine große Achtung vor Ihnen bekommen. Mein Haus ist wieder zu einem Heim geworden, die Zwillinge lieben Sie, meine Diener und Angestellten gehorchen Ihnen. Sie haben hervorragende Manieren, und ich glaube, Sie könnten eine Reihe von gesellschaftlichen Funktionen übernehmen. Es wäre nett, wenn die Leute wieder zu Besuch kämen.«
»Was wollen Sie mir damit sagen?«
Er holte tief Luft. »Wenn Bianca meinen Antrag zurückweist, würde ich gern mit Ihnen verheiratet bleiben.«
Ihre Augen wechselten von Braun zu Schwarz. »Eine Heirat, aus der auch Kinder hervorgehen könnten, nehme ich an.«
Kleine Fältchen bildeten sich in Clays Augenwinkeln, und er lächelte leicht. »Natürlich. Ich muß zugeben, daß ich Sie sehr attraktiv finde.«
Nicole glaubte nicht, daß sie jemals in ihrem Leben so wütend gewesen war wie jetzt. Sie konnte den Zorn von den Zehenspitzen bis zum Haaransatz hinauf spüren. Sie stand langsam auf, und es kostete sie viel Mühe, zu sagen: »Nein, ich glaube nicht, daß ich damit zufrieden wäre.«
Er faßte ihren Arm, als sie sich von ihm wegdrehte. »Warum nicht?« forschte er. »Ist Arundel Hall nicht groß genug für Sie? Mit Ihrem Aussehen könnten Sie vielleicht sogar noch etwas Größeres bekommen.«
Die Ohrfeige, die sie ihm gab, hallte als Echo von den Bäumen wider.
Er stand da und grub seine Finger in ihren Arm, während seine Wange rot anlief. »Ich hätte sehr gern eine höflichere Art der Antwort gehabt«, sagte er kalt.
Sie riß sich von ihm los. »Cochon! Sie ignoranter, eitler Mann! Wie können Sie es wagen, mir so einen Antrag zu machen?«
»Antrag! Ich habe Ihnen eben einen Heiratsantrag gemacht, und ich glaube, ich habe Ihnen in den letzten Wochen verdammt viel Respekt entgegengebracht. Schließlich sind Sie nach dem Gesetz meine Frau.«
»Respekt! Sie wissen ja nicht einmal, was dieses Wort bedeutet. Es ist richtig, daß Sie mir ein getrenntes Schlafzimmer angewiesen haben; aber weshalb? Weil Sie mich respektieren? Oder weil sie später Ihrer geliebten Bianca sagen können, daß Sie mich nicht angerührt haben?«
Der Ausdruck auf seinem Gesicht war ihr Antwort genug. »Sehen Sie mich an«, schrie sie fast mit einem schweren Akzent. »Ich bin Nicole Courtalain. Ich bin ein menschliches Wesen mit Gefühlen und Erwartungen. Ich bin mehr als nur ein
Fall verwechselter Identität. Ich bin mehr als die Tatsache, daß ich nicht >Ihre< Bianca bin. Sie sagen, Sie machen mir einen Heiratsantrag; doch sehen Sie sich an, was Sie zu bieten haben. Nun bin ich die Herrin der Plantage, die von jedem Mrs. Armstrong genannt wird. Doch meine ganze Zukunft hängt an einem dünnen Faden. Wenn Bianca Ihren Antrag annimmt, dann soll ich beiseite geworfen werden. Wenn sie Ihren Antrag ablehnt, dann werden Sie sich mit der zweiten Wahl abfinden. Nein! Nicht einmal mit der zweiten Wahl. Ich bin zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort. Für mich gab es keine Wahl.«
Sie holte tief Luft. »Zweifellos dachten Sie, ich würde bleiben und die Gouvernante der Zwillinge sein, wenn Bianca nach Amerika käme.«
»Und was wäre daran so verkehrt?«
Sie war so wütend, daß sie nicht mehr weitersprechen konnte. Sie zog den Fuß zurück und trat nach ihm. Ihr Zeh schmerzte mehr als sein Schienbein, das von seinem schweren Lederstiefel geschützt war; doch das war ihr egal. Sie überschüttete ihn mit einigen französischen Flüchen und drehte sich dann dem Pfad zu.
Er packte sie wieder am Arm. Auch er war wütend. »Ich begreife Sie nicht. Ich könnte mir unter der Hälfte der Frauen in der Grafschaft eine aussuchen, wenn Bianca meinen Antrag ablehnt; doch ich habe Sie gebeten. Was ist so schlimm daran?«
»Sollte ich mich auch noch geehrt fühlen? Geehrt, daß Sie einem so armen kleinen Ding wie mir erlauben, bei Ihnen zu bleiben? Glauben Sie, ich möchte mein ganzes Leben lang ein Objekt der Wohlfahrt sein? Es mag Sie überraschen, Mr. Armstrong, daß ich ein bißchen Liebe in meinem Leben haben möchte. Ich möchte einen Mann, der mich liebt, wie Sie Bianca lieben. Ich möchte keine Heirat aus Bequemlichkeit, sondern aus Liebe. Beantwortet das Ihre Frage? Ich würde lieber mit einem Mann hungern, den ich liebe, als mit Ihnen in Ihrem feinen Haus zusammen leben, wenn ich jeden Tag daran denken mußte, wie sehr Sie Ihrer verlorenen Liebe nachtrauern.«
Er sah sie so sonderbar an, daß sie nicht wußte, was
Weitere Kostenlose Bücher