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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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ostdeutschen Wirtschaft krachte es an allen Ecken und Enden, die Regierung war senil geworden und brachte weder den Willen noch die Mittel auf, die Probleme anzugehen. Fionas Informationen besagten, daß die russischen Truppen in den Kasernen bleiben würden, ganz gleich, welche politischen Veränderungen stattfanden. Die UdSSR hatte eigene Probleme. Bret Rensselaers verwegene Voraussage des Zusammenbruchs der Mauer für das Jahr 1990 – die seinerzeit nur als eine der für die Projektionen des SIS charakteristischen Übertreibungen aufgefaßt worden war – hatte inzwischen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich.
    Sie hatten schönes Material von Fiona erhalten, das es ihnen beiden ermöglicht hatte, den Feldzug zu dirigieren und Verbindungen zu den vernünftigsten Kräften innerhalb der Opposition aufzunehmen. Um ihre Agentin zu schützen, hatten sie ihr zu ein paar kleinen Siegen und ein paar Auszeichnungen verhelfen. Jetzt genossen sie das Gefühl großer Befriedigung.
    Diese beiden Männer waren einander in vieler Hinsicht ähnlich. Herkunft, Erziehung, Lebenshaltung und Auftreten zeigten bei vielen deutliche Gemeinsamkeiten, doch hatte Silas Gaunts Dienst im Ausland ihn zum Kosmopoliten gemacht, was man den auf Abstand bedachten und förmlichen Sir Henry Clevemore schlechterdings nicht nennen konnte. Silas Gaunt war praktisch, listig, anpassungsfähig und skrupellos, und trotz all der gemeinsam verbrachten Jahre hatte Sir Henry noch immer Vorbehalte gegen seinen Freund.
    »Wissen Sie noch, wie eines Nachts der junge Volkmann an Ihre Tür klopfte?« sagte Silas.
    »Der Dummkopf hatte meine Telefonnummer vergessen.«
    »Sie waren verzweifelt«, sagte Silas.
    »Überhaupt nicht.«

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    »Ich bedaure, Ihnen widersprechen zu müssen, Henry, aber als Sie hier ankamen, sagten Sie, Fiona Samson habe sich ein schweres Fehlurteil geleistet.«
    »Na ja, ein bißchen ominös kam er mir schon vor.« Er kicherte trocken. »Das einzige, was er auswendig zu lernen hatte, vergißt er.«
    »Volkmann war dann schließlich eine echte Trumpfkarte.
    Wer hätte das gedacht?«
    »Ich werde ihm was besorgen«, sagte der D.G. »Wenn alles vorbei ist, besorge ich ihm irgendeine Auszeichnung. Ich weiß, daß er gerne einen Orden hätte. Er ist der Typ.«
    »Wissen Sie, daß er sich aus dem Bankgeschäft
    zurückzieht?« sagte Silas, obwohl er dem D.G. darüber schon Bericht erstattet hatte.
    »Er übernimmt diese Bruchbude von Hotel von dieser furchtbaren alten Deutschen, wie hieß sie doch gleich?«
    »Lisl Henning.«
    »Genau die, eine absolute Medusa.«
    »Alles Gute hat sein Ende«, sagte Silas.
    »Es gab Zeiten«, sagte der Director-General, »da dachte ich, wir würden Mrs. Samson einfach abziehen und aufgeben müssen.«
    »Samson ist ein dickköpfiger junger Narr«, sagte Silas Gaunt und sprach damit aus, was beide dachten. Sie saßen in dem selten benützten Wohnzimmer von Gaunts Haus, während nebenan die Handwerker langsam den Kamin in Gaunts kleinem Studierzimmer wieder aufmauerten. In diesem Raum war schon seit hundert Jahren praktisch nichts verändert worden. Wie alle Räume in solchen Gutshäusern, deren Steinwände dick und deren Fenster klein sind, war auch dieser das ganze Jahr über dunkel. Auf einer hohen Anrichte standen oft benutzte Weidenmuster-Porzellanteller und eine mit frisch geschnittenen Narzissen gefüllte Vase.
    Silas saß ausgestreckt auf dem löchrigen Sofa, beleuchtet

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    von den züngelnden Flammen eines Holzfeuers. Über ihm blinzelte mit stählernem Blick ein Ahn durch den Firnis eines großen Gemäldes, und es gab einen kleinen Tisch, an dem Silas Gaunt vorübergehend seine Mahlzeiten einnahm. Sir Henry Clevemore hatte die Reise nach Whitelands gemacht, nachdem er erfahren hatte, daß Silas sich von einem Sturz vom Pferd erholte. Der alte Narr hätte in seinem Alter jedem Pferd aus dem Wege gehen sollen, dachte der D.G. und beschloß, ihn das wissen zu lassen. Dann ließ er es doch sein.
    »Samson?« sagte der D.G. »Sie dürfen über ihn nicht so hart urteilen. Es ist wirklich meine Schuld. Bret Rensselaer war immer der Meinung, wir hätten Samson einweihen müssen.«
    »Ich hätte nie erwartet, das noch einmal von Ihnen zu hören, Henry. Sie waren es doch …«
    »Ja, ich weiß. Aber am Ende dieses ersten Jahres hätte man Samson einweihen können.«
    »Von einer Leichenschau hat keiner was«, sagte Silas. Er war in eine Reisedecke mit Schottenmuster gewickelt, an der er ab und zu

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