Gelinkt
Zugehfrau hat angerufen und gesagt, sie könne heute nicht kommen: Sie hat eine Sitzung mit ihrem Drehbuchredakteur.
Drehbuchredakteur! Heiliger Himmel! Komm, nimm noch ein bißchen Fusel, Fi. Ich hasse es, allein zu trinken.«
»Nein, danke, Tessa. Und ich glaube, auch du hast genug für heute abend.«
Tessa stellte das Glas ab und füllte es nicht wieder. Wenn sie bei ihrer Schwester schlecht angeschrieben war, fühlte sie sich elend. Fiona war der einzige Mensch, den sie hatte, abgesehen von George, aber nicht mit allem, was sie plagte, konnte sie zu George gehen. Denn die meisten ihrer Probleme resultierten aus diesen albernen kleinen Liebesgeschichten, auf die sie sich immer wieder einließ. Und daß George ihr da heraushalf, konnte sie ja nicht von ihm verlangen.
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»Kann ich mal telefonieren?« sagte Fiona.
Tessa gestikulierte theatralisch mit beiden Händen. »Nimm den Apparat im Schlafzimmer, wenn du was Vertrauliches zu bereden hast.«
Fiona ging ins Schlafzimmer. Auf dem großen Himmelbett lag über einer dunkelroten Decke, die sie schön zur Geltung brachte, eine Zierdecke aus alter Spitze. Auf dem Nachttisch stand ein schickes neues Telefon zwischen teuren Parfüms, Pillenfläschchen und Taschenbüchern. Eine Aspirinflasche war offen, und mehrere Tabletten lagen zerstreut daneben. Fiona nahm den Hörer ab, zögerte aber, ehe sie wählte.
Der optimistischen Theorien Brets ungeachtet war Fiona Samson nicht der Typ, der sich bei jeder Gelegenheit ratsuchend an andere – Männer oder Frauen – wendete. Sie wußte sich selbst zu helfen, auch sich selbst zu kritisieren, wie das ältere Geschwister nicht selten lernen. Aber jetzt hatte sie dennoch das Bedürfnis, eine andere Meinung einzuholen, ehe sie sich entschied. Sie sah auf die Uhr. Nachdem sie sich, was sie sagen wollte, sorgfältig zurechtgelegt hatte, wählte sie Brets Nummer. Sie ließ es lange klingeln, aber es meldete sich niemand. Sie versuchte es noch einmal, denn es konnte ja sein, daß sie sich beim ersten Mal verwählt hatte. Doch abermals blieb ihr Anruf ohne Antwort. Diese Enttäuschung brachte sie aus dem Gleichgewicht, und plötzlich fiel ihr ein, Onkel Silas anzurufen. Die Karriere Silas Gaunts hatte, wie man sie in der ungeschriebenen Geschichte des Departments berichtet fand, legendäre Züge. Onkel Silas war unvergleichlich, praktisch ein Unikum. Hin und wieder ziehen die britischen
Ordnungsmächte einen Außenseiter, um nicht zu sagen gefährlichen Einzelgänger, in ihren Dienst, einen Mann, der jede Regel bricht und sich daran ergötzt. Einen, der keinen Herrn über sich und nur wenige Gleiche neben sich anerkennt.
Kontroversen pflasterten Gaunts Weg, und seine Amtszeit als Berliner Resident eröffnete eine lautstark ausgetragene
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Meinungsverschiedenheit mit dem D.G. Es konnte als Beweis sowohl seiner diplomatischen Fähigkeiten als auch seiner Rücksichtslosigkeit gelten, daß er sich bei alledem keine hochgestellten Feinde machte.
Gaunt, ein entfernter Verwandter von Fionas Mutter, war der Mann, der zunächst Brian Samson und dann auch dessen Sohn Bernard stets energisch gegen Leute in einflußreichen Stellungen unterstützt hatte, die meinten, daß für die höheren Ränge des Nachrichtendienstes ausschließlich Angehörige einer gewissen Oberschicht qualifiziert seien, denen die Samsons in keiner Weise glichen. Die Samsons behaupteten sich. Die Opposition hatte nicht mit Gaunts Schlauheit, Kriegslisten und Wut gerechnet. Doch als Gaunt schließlich in Pension ging, wurden Seufzer der Erleichterung überall im Department laut. Gaunt hatte sich indessen keineswegs ganz aus dem Spiel zurückgezogen. Der Director-General kannte und achtete ihn, und seine Wertschätzung ließ sich auch daran ermessen, wie der D.G. die Fiona-Samson-Operation handhabte. Nur Bret Rensselaer, er selbst und eben Silas Gaunt waren ja in dieses Geheimnis eingeweiht. Jetzt, einer plötzlichen Eingebung folgend, wählte Fiona die Nummer des Whitelands-Guts in den Cotswolds. Da sich am anderen Ende der Leitung Silas selbst meldete, kam Fiona ohne Umschweife zur Sache. Sie nannte nicht einmal ihren Namen, sondern sagte, im Vertrauen darauf, daß er ihre Stimme erkennen würde, nur:
»Silas. Ich muß dich sehen. Ich muß. Es ist dringend.«
Es folgte ein langes Schweigen. »Wo bist du? Kannst du reden?«
»In der Wohnung meiner Schwester. Nein, ich kann nicht.«
»Ist nächstes Wochenende früh genug?«
»Perfekt«, sagte
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