Gelinkt
nun zu spät. Der D.G. gestattete sich, Brets optimistischen Prognosen zu trauen, da ihm eine Alternative zu dem einmal beschlossenen Plan, auch wenn er dessen Erfolgschancen pessimistisch beurteilt hätte, nicht eingefallen wäre.
Mochte dieses lang zurückliegende Abendessen bei Kessler Bret nur an eine vorübergehende schwache Stunde Fionas erinnern, war es in Fionas Gedächtnis eingebrannt wie ein Programm in einem Mikrochip. Jede demütigende Einzelheit war ihr gegenwärtig. Die Herablassung, mit der Bret Rensselaer ihren Wunsch, sich von der Operation zurückzuziehen, zur Kenntnis genommen hatte, die unverschämte Art, in der er sie so mühelos erpreßt hatte, dennoch dabeizubleiben. Die Verachtung, die er ihr bewiesen hatte, als sie ihm den Champagner ins Gesicht goß, indem er sie hatte gewähren lassen, als wäre sie das ungezogene Töchterchen eines geachteten Freundes. Und, was das Beschämendste von allem war, sie hatte genau getan, was er ihr befahl. Denn, wie so viele Demütigungen, bemaß sich auch ihre eigene am Erfolg des Gegners. Und am Ende jenes Abendessens war Brets Herrschaft absolut.
Seit dieser unseligen Konfrontation hatte sie nie wieder den Wunsch geäußert, von der ihr zugedachten Aufgabe entbunden zu werden. Nach jenen ersten qualvollen Wochen, in denen sie verzweifelt hoffte, daß Bret das Department verlassen, versetzt
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werden oder einen tödlichen Unfall erleiden möchte, kam ihr der Gedanke, aus ihrem Vertrag entlassen zu werden, nicht mehr in den Sinn. Was auf sie zukam, war nun unvermeidlich.
Wie die meisten Frauen – und Fiona sah das von Beamtinnen der Zoll-, Einwanderungs- und Polizeibehörden ebenso wie von den Sekretärinnen in ihrem Büro unter Beweis gestellt –
war Fiona gewissenhafter und sorgfaltiger als ihre männlichen Kollegen. Ihre kalte Verachtung für Bret und andere Männer seinesgleichen konnte sie am besten beweisen, indem sie ihre Arbeit sorgfältiger und geschickter machte als er seine. Sie würde also dieser verdammte »Superspion« werden, den sie haben wollten. Sie würde ihnen zeigen, wie gut frau das machen konnte. Fionas Treffen mit Martin Euan Pryce-Hughes fanden weiterhin statt, doch nun sorgte Bret dafür, daß die Leckerbissen, die sie ihm zuwerfen konnte, und ihre Antworten auf seine spezifischen Fragen besser wurden als das Spielmaterial, das sie ihm bisher geliefert hatte. Pryce-Hughes gefiel das. Fiona nahm seinen Wink mit dem Zaunpfahl auf und forderte mehr Geld. Nicht viel mehr, aber genug, um ihren Wert zu betonen. Moskau ging unverzüglich und großzügig auf die Forderung ein, sehr zur Freude von Bret und auch von Pryce-Hughes. Und doch, als so aus einem Monat nach dem anderen ein volles Jahr wurde und mehr und mehr Zeit verging, begann sie zu hoffen, daß der langfristige Plan des Departments, sie ins feindliche Lager zu schicken, fallengelassen werden würde. Bret traf sich nach wie vor regelmäßig zu Instruktionssitzungen mit ihr, und ihre Aufgaben waren auf diesen Zweck hin zusammengestellt. Ihr Zugang zu den Computern war genau begrenzt, und sie bekam nie sehr geheime Papiere in die Hand. Aber der D.G. schien sie vergessen zu haben, und vergessen zu haben schien er auch Bret Rensselaer. Ein- oder zweimal war sie nahe daran, den D.G. deswegen geradeheraus zu fragen, ließ dann aber doch alles laufen, wie es lief. Bernard sagte, der D.G. werde mit der
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Zeit derart exzentrisch, daß es schon an Unfähigkeit grenzte, aber Bernard neigte zu Übertreibungen.
Bezeichnenderweise war es dann ihre jüngere Schwester Tessa, die dafür sorgte, daß alles wieder hochkam. »Süße Fi!
Wie schön, daß du immer da bist, wenn ich dich brauche!«
»Du hast so guten Champagner«, sagte Fiona in dem Bemühen, die Spannung zu lockern, die sich im Gesicht ihrer Schwester spiegelte, und in der Art, wie sie dauernd die Ringe an ihren Fingern herumdrehte.
»Das ist meine Diät: Kaviar, Champagner und Austern.
Macht garantiert nicht dick.«
»Nein, nur arm«, sagte Fiona.
»So redet Papa auch. Er mißbilligt meine Diät.« Wie zum Trotz ergriff sie ihr Glas, betrachtete das perlende Naß und trank. Tessa war von jeher geneigt, Schwierigkeiten zu machen. Die Beziehung zwischen Fiona und ihrer jüngeren Schwester konnte als exemplarischer Fall des psychologischen Phänomens der Geschwisterrivalität betrachtet werden, worauf Bret während seiner Sitzungen mit Fiona häufig zu sprechen kam. Das Lieblingsmotto ihres Vaters (»Was ich
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