Gelinkt
Erleichterung. Es gab noch andere unheilvolle Anzeichen. Bret hatte sie gebeten, ein langes Geheimdokument über die Stützung des Sterling-Kurses durch die Bank of England abzuschreiben. Die Kopie war ganz in ihrer Handschrift, und Fiona hatte sie Martin nie übergeben. Soweit sie das abschätzen konnte, gab es dafür nur eine Erklärung: Bret hatte vor, es dem KGB durch einen anderen Agenten zuzuspielen.
Warum ihre Handschrift? Nur ein vollkommener Idiot würde ein so belastendes Dokument herstellen, es sei denn, es sollte als Beweis ihrer Tätigkeit für die andere Seite dienen. Und die Art und Weise, in der Bret ihren diesbezüglichen Fragen auswich, war nur ominös zu nennen. Als warnendes Zeichen zu lesen war auch die schiere Masse des Materials, das sie während der letzten Wochen Martin übergeben hatte. Bret sagte, daß nichts davon besonders wichtig sei, aber die Masse an sich war schon verdächtig. Die Londoner Zentrale würde Lieferungen in diesem Umfang zweifellos nicht unbegrenzt fortsetzen wollen, wie aber sollte sie es rechtfertigen, wenn in Zukunft die Informationen spärlicher flossen? All das wies in eine Richtung: Sie sollte sich nach Osten absetzen, und zwar
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bald. Sie hatte Angst vor diesem Schritt, aber in mancher Hinsicht war das Warten sogar noch schlimmer. Jeden Tag betrachtete sie nun ihren Mann und die Kinder mit Liebe und Sehnsucht. Bei jeder Begegnung wollte sie ihre Schwester warnen, daß sie bald voneinander getrennt sein würden, aber jeder Hinweis, jede Vorbereitung auf das Ereignis verbot sich natürlich. Was alles noch schmerzhafter machte, war Fionas Überzeugung, daß sie niemals zurückkehren würde. Für diesen Mangel an Vertrauen gab es keinen logischen Grund, er stützte sich nicht auf Beweise. Die böse Ahnung war rein instinktiv und rein weiblich. Es war der ruhige Fatalismus, wie ihn auf dem Sterbebett, im Kreise ihrer Familie, eine Matriarchin fühlen mochte.
Wenn es nur möglich wäre, einige der wichtigen Sachen zu regeln, die nun ohne sie würden entschieden werden. Sie machte sich Sorgen wegen Billy und seiner Schule. Sie hatte immer gehofft, daß schließlich auch Bernard einsehen würde, daß der Besuch einer Public School von Vorteil für den kleinen Billy wäre. Seine Aufnahme wäre zu bewerkstelligen. Das hatte ihr Vater ihr versprochen. War sie aber erst weg, würde Bernard nicht daran denken, diese Chance zu nutzen. Bernard hatte eine Phobie gegen Public Schools, »Prügel, Sodomie und schlechte Manieren«, und gegen alle Absolventen derselben, jedenfalls hatte es den Anschein.
Harry kam mit einem Teetablett. »Diese Zeitungsmeldung hast du nun schon mindestens dreimal gelesen, Liebling. Hat sie eine besondere Bedeutung?« Er beugte sich über sie und küßte sie.
»Der ewige Psychologe«, sagte sie und nahm, nachdem sie so beiläufig, wie sie es vermochte, die Zeitung beiseite geworfen hatte, das Tablett auf die Knie. In einer winzigen Vase standen Veilchen, gewiß die letzten dieses Jahres. Wie zart sie aussahen. Wunderschönes transparentes Porzellan, silberne Teelöffel und zwei Stückchen jenes leckeren
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englischen Fruchtkuchens, für den sie schwärmte. Er mußte all das in Bereitschaft gehalten haben. »Wie großartig!« Sie hielt das Tablett fest, während er ihr zur Seite ins Bett zurückstieg.
»Harry, was weißt du von den englischen Public Schools?«
»Du nimmst doch keine Milch zu Earl-Grey-Tee, nicht wahr, mein Schatz?«
»Nein. Den trinke ich pur.«
»Public Schools? Du machst dir aber auch über die komischsten Sachen Gedanken. Die meisten von meinen Kollegen an der Klinik scheinen diese Schulen ohne bleibende Schäden überlebt zu haben. Aber was weiß ich? Wohlgemerkt, mit den meisten von ihnen wäre ich nicht gerade gern unter der Dusche, wenn das Licht ausgeht. Wie kommst du darauf?«
»Ich habe gute Freunde … Der Mann wird von seiner Firma ins Ausland geschickt. Sie erwägen, den Jungen in ein Internat zu geben.«
»Und da fragst du mich nun, ob das gut wäre.« Er stellte die Tassen auf die Untertassen. »Meine Meinung als Psychiater?
Aber wie kann ich mir ein Urteil darüber erlauben, ohne das Kind zu sehen? Auch die Eltern müßte ich kennen.«
»Wahrscheinlich hast du recht.«
»Wenn der Mann dagegen ist, wäre die Frau dumm, darauf zu bestehen, oder?« Er goß Tee ein. »Ist er stark genug?«
»Er haßt Public Schools. Ja, der Tee ist ausgezeichnet.«
»Wieso?«
»Snobismus, Schinderei,
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