Gelinkt
anderen Spieler scharten sich um den gefallenen Jungen, aber niemand tat etwas. Sie beugten sich nur zu ihm hinunter.
»Ja, Sir«, sagte Bret. »Also gut, ich mache mich auf den Weg.«
»Sie könnte plötzlich zögern, Bret. Das tun Agenten manchmal, wenn die Zeit zum Handeln näher rückt. Tut sie’s, sorgen Sie dafür, daß sie sich einen Ruck gibt. Es steht jetzt zuviel auf dem Spiel, als daß wir noch im letzten Augenblick Umbesetzungen vornehmen könnten.« Bret stand still für den Fall, daß der D.G. noch mehr zu sagen hätte. Aber der D.G. schnippte verabschiedend mit den Fingern.
Draußen putzte sich Bret noch einmal die Nase. Verdammtes Gras. Um Kricketwettkämpfe auf frisch gemähtem Rasen würde er in Zukunft einen großen Bogen machen. Für die eine oder andere Überraschung war der Alte noch immer gut, dachte Bret. Was für ein hartgesottener alter Bastard! Bernard darf unter keinen Umständen eingeweiht werden. Das meinte also dieses »Nur Unwissenheit ist unbesieglich«. Als Bret bei seinem Wagen anlangte, war die Schleimhautreizung verschwunden. Es war also doch hauptsächlich der Streß gewesen.
6
London, August 1978
Fiona Samson, 31, Karrierefrau, liebte es, viele Geheimnisse zu haben. So war sie schon immer gewesen. Anfänglich hatte sie deshalb ihren anspruchsvollen Job bei der Londoner Zentrale – diesem geheimsten aller geheimen Staatsorgane – sehr genossen, doch die Rolle, die sie als Doppelagentin zu spielen hatte, gestaltete sich mit der Zeit derart komplex, daß es mitunter selbst ihr zuviel wurde. Allgemein hieß es, daß Doppelagenten immer Gefahr laufen, schließlich nicht mehr zu wissen, für welche Seite sie wirklich arbeiten, aber bei Fiona war das anders. Fiona konnte sich gar nicht vorstellen, jemals ein kommunistisches Regime zu unterstützen. Ihrer großbürgerlichen Erziehung verdankte sie einen soliden Patriotismus, der sie davor bewahrte. Nicht politische Zweifel also verursachten Fiona Qualen. Sie machte sich Sorgen, vor der überwältigenden Aufgabe, die man ihr gestellt hatte, zu versagen. Bernard wäre in der Rolle des Doppelagenten perfekt gewesen; wie die meisten Männer konnte er verschiedene Bereiche seines Hirns voneinander getrennt halten und seine Arbeit als eine Sache, seine Familie als eine andere behandeln. Fiona konnte das nicht. Sie wußte, ihre Aufgabe würde so hohe Anforderungen an sie stellen, daß sie ihren Mann und ihre Kinder mehr und mehr würde vernachlässigen müssen, um sie schließlich – ohne Vorwarnung – sich selbst zu überlassen. Sie selbst würde als Verräterin gebrandmarkt und ihre Familie mit Schmutz beworfen werden. Die Vorstellung betrübte sie.
Hätte sie alles mit Bernard besprechen können, wäre es vielleicht anders gewesen, aber es war verfügt worden, daß ihr Mann von dem Plan nichts erfahren durfte. Überhaupt verstand sie’s nicht sehr gut, sich mit Bernard auszusprechen. Sie hatte nicht weniger Temperament als ihre extravertierte Schwester Tessa, aber ihre Leidenschaft wurde unter Verschluß gehalten und kam nur selten aufflackernd zum Vorschein. Manchmal, ja sogar oft, wäre Fiona gerne so gewesen wie Tessa. Die Sorte öffentlicher Schaustellungen – spektakuläre Wutausbrüche oder Freudentaumel –, für die ihre Schwester berühmt war, hätten auch ihr große und unmittelbare Erleichterung und Befriedigung verschafft, aber sie hatte keine Wahl.
Fiona war auf eine Weise schön, die sie manchmal von anderen Frauen isolierte. Fionas Schönheit war ein kalter, vollkommener Glanz, wie er jenen unnahbaren Fotomodellen anhaftet, die so selbstgewiß für die Illustrierten posieren. Auch ihr Verstand war kalt und perfekt. Pedantische Universitätslehrer hatten ihren Geist so weit deformiert, daß sie maskuline Prioritäten setzte und viele der ungebundenen Freuden der Weiblichkeit geopfert hatte, um erfolgreich mit den Männern konkurrieren zu können. Fiona teilte ihr Elend, ihre Nöte und ihre mitunter große Freude nur zögernd – manchmal widerwillig – mit ihren Nächsten. Gefühle, gleich welcher Art, waren unter allen Umständen zu verbergen, das hatte ihr Vater sie gelehrt. Ihr Vater war ein unsensibler, starrköpfiger Mann, der Söhne gewollt hatte, was er seinen Kindern – die beide Töchter waren – bei jeder Gelegenheit in Erinnerung rief, wie auch, daß Jungens nicht weinen. Fionas Ehe mit Bernard Samson hatte ihr Leben für immer verändert. Es war Liebe auf den ersten Blick. Sie hatte nie zuvor
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