Gelinkt
entschieden worden sei, Bernard für den Rest seines Lebens an den Schreibtisch zu setzen. Nicht in der Deutschland-Abteilung. Dort saß inzwischen Dicky Cruyer, ein eitler und oberflächlicher Mann. Eigentlich hätte die Beförderung Bernard zugestanden, und er hätte für den Posten mehr Sachverstand und Intelligenz mitgebracht, doch Dicky hatte Erfahrung im Verwaltungsapparat sowie die persönlichen Eigenschaften und gesellschaftlichen Verbindungen, die das Department bei der Besetzung leitender Stellungen bevorzugt berücksichtigte. Bernard meinte, alles, was Dicky auszeichne, sei die richtige Schulkrawatte, aber Bernard war, was solche Dinge anging, vielleicht ein bißchen zu empfindlich. Sie hatte sich gefragt, ob Bret Bernards Beförderung ihres geheimen Auftrags wegen blockiert hatte, aber Bret hatte ihr versichert, die Entscheidung sei höheren Orts gefallen. Sie war überzeugt, daß sich ihr unerquickliches Familienleben bessern würde, wenn Bret ihr gestattete, sich ihrem Mann anzuvertrauen. Unter den gegebenen Umständen konnte sie ihre Abwesenheiten nicht immer rechtfertigen. Es war schon schlimm genug gewesen, als sie sich nur ab und zu mit Martin Euan Pryce-Hughes traf. Jetzt gab es zahllose geheime Beratungen mit Bret, und sie hatte eine Menge zu büffeln. Das Material dieser Studien aber durfte Bernard keinesfalls unter die Augen bekommen. Bernard war nicht schwer von Begriff. Sie hätte nicht viele Fehler zu machen brauchen, um ihn merken zu lassen, was gespielt wurde, und der D.G. hatte sich persönlich der Mühe unterzogen, ihr zu sagen, daß, wenn Bernard entdeckte, was geplant war, die ganze Aktion abgeblasen werden mußte. Armer Bernard. Armer Billy. Arme Sally. Sie saß auf der Bank am Bahnsteig eins und dachte an sie alle. Sie fühlte sich vollkommen verausgabt und krank. Das Weinen löste die innere Spannung, tat aber nichts zur Besänftigung ihres Schmerzes. Sie weinte noch etwas in der beherrschten, unaufdringlichen und würdevollen Weise, auf die zu weinen sie im Internat gelernt hatte, und starrte durch die Bahnhofshalle, wo Leute zu den Vorortzügen eilten oder voneinander Abschied nahmen. Sie sagte sich, daß deren Sorgen vielleicht größer waren als ihre, aber das half nichts. Sie fühlte sich bei dem Gedanken eher noch niedergeschlagener.
Das Wetter tat nichts, sie aufzuheitern. Es war einer dieser elend kalten und regnerischen Tage, die so häufig den englischen Sommer unterbrechen. Jeder hatte sich in Mantel und Schal verpackt, und die kalte, feuchte Luft trug das Ihre zu Fionas fröstelnder Trübsal bei. Züge kamen an; Züge fuhren ab. Eine junge Frau fragte nach der Zeit, und ein älteres Paar ging in lautstarkem Streit vorbei. Tauben und Spatzen schwebten von den Stahlträgern des Daches herunter, angelockt von einem bärtigen Mann auf einer Bank in der Nähe, der ihnen Krümel streute. Sie saß da und sah den Vögeln zu, und so verging, wie es ihr schien, viel Zeit.
»Entschuldigen Sie, Madam.« Fiona blickte auf und sah zwei Männer: einen uniformierten Eisenbahnpolizisten und einen Mann in Zivil. »Haben Sie vor ein paar Minuten mit einer jungen Frau gesprochen?« Der Polizist stellte die Frage. Zuerst dachte sie, man würde ihr bedeuten, nicht länger hier herumzulungern, sie wegen Prostitution verhaften oder sonst irgendwelchen Ärger machen, aber dann wurde ihr klar, daß der Mann in Zivil kein Polizist war. »Ja?«
»In dunkelblauem Mantel mit rotem Seidenschal? Dunkles
Haar, ein hübsches Mädchen.« Jetzt sprach der Mann im Kamelhaarmantel. Er hatte mit einer höflichen Gebärde, die sie überraschte, den Hut gezogen, und ihr fiel auf, wie fest er diesen in der sonnengebräunten Hand hielt. Er schien nervös zu sein.
»Sie hat mich nur nach der Zeit gefragt. Sie hat den Zug nach Southampton genommen«, sagte Fiona. Eine hallende und unverständliche Lautsprecherdurchsage unterbrach sie, und sie ließ erst den Lautsprecher ausreden, ehe sie fortfuhr: »Das hat sie jedenfalls gesagt.«
»Sie hatte eine große Tasche aus grünem Kunststoff mit Schulterriemen«, sagte der Mann.
Das war, entschied sie, als Frage zu nehmen. »Sie hatte eine Tasche«, sagte Fiona, »Einzelheiten sind mir nicht aufgefallen.«
»Ist bei Ihnen alles in Ordnung, Madam?« sagte der Polizist. Ihre geröteten, tränennassen Augen waren ihm aufgefallen. »Mir fehlt nichts, danke«, sagte sie mit fester Stimme. Sie blickte auf ihre Uhr und erhob sich, um zu zeigen, daß sie ohnedies eben
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