Gelinkt
lächelte. Sie nahm ihr volles Champagnerglas und
schüttete es ihm ins Gesicht.
»Jesus Christus!« Er sprang auf, stotternd und zappelnd
Gesicht und Hemdbrust mit der Serviette abtupfend. »Sind Sie
verrückt geworden?«
Sie betrachtete ihn mit Schrecken. Er ging durch den Raum
und holte sich frische Servietten von einem Serviertisch. Er
tupfte Anzug und Stuhl ab, und als sein Zorn nachließ, setzte er
sich wieder.
Sie hatte sich nicht gerührt. Sie haßte es, die
Selbstbeherrschung zu verlieren, und um ihn nicht ansehen zu
müssen, ergriff sie ihre Gabel und verfolgte ein Stück Soufflé
damit quer über den Teller. »Aber Bernard weiß nichts davon.«
Das sagte sie, ohne aufzusehen. Sie aß das Stück Soufflé nicht.
Der Gedanke an Essen war ihr plötzlich zuwider.
Er strich sich mit dem Finger rund um die Innenseite des
Kragens. Der Champagner hatte ihn klebrig gemacht. »Solche
Aufgaben werden außerhalb des Departments vergeben. Die
eigenen Leute dafür einzusetzen wäre sicherheitsmäßig
bedenklich.«
»Versprechen Sie mir, daß Bernard nichts davon erfährt?« »Ich könnte versprechen, daß er’s von mir nicht erfährt.
Aber Bernard ist ein kluger und findiger Mann … Das brauche
ich Ihnen ja nicht zu erzählen.« Er sah auf seine Uhr. Er wollte
nach Hause und sich umziehen. »Es ist sowieso alles vorbei.« »Das freut mich.« Er sah sie an und bedachte sie – trotz der
nassen Flecken auf seinem Hemd und des zerzausten Haars –
mit seinem bezauberndsten Lächeln. »Wissen Sie, wovon ich
rede?«
»Natürlich nicht«, sagte er, noch immer lächelnd. »Es ist
klar, daß ich nur ein Jahr lang drüben bleibe und dann
abgezogen werde?«
»Ein Jahr. Ja. Das war immer der Plan«, sagte Bret. »Haben
Sie eine Handtasche? Ich gebe Ihnen die Einzelheiten des
abgefangenen Funkspruchs. Rufen Sie gleich morgen früh
Pryce-Hughes’ Kontaktnummer an. Morgen ist der Tag, an
dem er unter der Büronummer zu erreichen ist, die er Ihnen
gegeben hat.« Letztlich hatte ihn die Champagnerdusche nicht
aus der Fassung gebracht.
»Sie sind ein kaltblütiger Bastard«, sagte sie. »Der Job war
nie was für heißblütige Leute«, erwiderte Bret.
9
London, April 1983
Für Bret Rensselaer war jenes nun schon lang zurückliegende Abendessen in Berlin nur eine kleine Panne während der langwierigen Vorbereitung, der sich Fiona für ihre Aufgabe unterziehen mußte. Im Rückblick war es für ihn vor allem der rechte Augenblick gewesen, etwas von dem Trost und der Ermutigung zu spenden, die Agenten nötig haben, wenn traumatische Unentschlossenheit sie lähmt. Es hatte sich dabei, wie Bret in einem jener kritischen Berichte, die er so gerne lieferte, dem D.G. anvertraute, um ein unvermeidliches Stadium in der Vorbereitungs- und Instruktionsphase jedes für den langfristigen Einsatz bestimmten Agenten gehandelt. »Es war ein Rollenwechsel für sie. Manche würden es ›schizothyme Phase‹ nennen, denn man mußte in diesem Stadium eine normale Persönlichkeit dazu bringen, die Aufgabe, sich in zwei getrennte Individuen zu spalten, anzunehmen.«
Der D.G. war schon versucht, sowohl die Terminologie als auch die wissenschaftliche Basis dieser Behauptungen, die den komplizierten Sachverhalt unzulässig zu vereinfachen schien, in Zweifel zu ziehen, doch erinnerte er sich eben noch rechtzeitig einer früheren Diskussion, in der Bret, der eine Psychoanalyse hinter sich hatte, ihn mit einem Sperrfeuer psychoanalytischer Doktrin, bei dem ausführliche Anmerkungen, Statistiken und Verweise auf die grundlegenden Arbeiten von James und Lange zum Einsatz gekommen waren, sprachlos gemacht hatte. Also nickte der D.G.
Bret rief ihm in Erinnerung, daß in diesem Fall der Agent eine Frau war, eine hochintelligente Frau und überdies Mutter kleiner Kinder. Die Krise war deshalb akuter als für gewöhnlich gewesen. Andererseits waren gerade diese Faktoren, die sie in besonderem Maße anfällig für Zweifel und Sorgen machten, Bestandteil dessen, was sie der anderen Seite unverdächtig erscheinen ließ. Fiona Samson war eine gefestigte Persönlichkeit, und Brets behutsame Konditionierung hatte ihr Verhalten verstärkt, so daß, wenn sie schließlich zum Einsatz kam, die »Übertragung« perfekt sein würde. Seit jener schrecklichen Szene mit dem Champagnerguß hatte eine emotionale Abhängigkeit von Bret, und somit von den in der Londoner Zentrale getroffenen Entscheidungen, für die Motivation und innere Seelenstärke, die sie für ihre Aufgabe
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