Gelinkt
benötigte, gesorgt. »Sie wissen viel mehr als ich von diesen Dingen«, sagte der D.G. mit einer leutseligen Überzeugtheit, die seinen wahren Gefühlen nicht entsprach. »Aber nach meiner Kenntnis bedeutet doch im psychoanalytischen Kontext der Terminus ›Übertragung‹ manchmal auch die unbewußte Verlagerung von Haß, eher als von Liebe und Hochachtung.«
»Allerdings!« sagte Bret. Nicht zum ersten Mal überraschte ihn der scharfe Blick des alten Mannes. Doch erholte er sich von seiner Überraschung schnell genug, um hinzuzufügen: »Auch diesen Aspekt der Arbeit habe ich bereits berücksichtigt.«
»Nun, ich bin sicher, Sie haben alles unter Kontrolle«, sagte der D.G. und blickte auf seine Uhr.
»Durchaus, Director. Verlassen Sie sich darauf.« Bret Rensselaer zog seine Schlüsse nicht aus persönlicher Erfahrung mit Agenten im Außendienst. Er hatte während seiner bisherigen Laufbahn nur wenig persönlichen Kontakt mit diesen seltsamen Geschöpfen gehabt (wenn auch natürlich die von ihm getroffenen Entscheidungen Auswirkungen auf den gesamten Dienst gehabt hatten). Dem Director-General war wohlbekannt, daß Bret eigentlich ein reiner Verwaltungsspezialist war. Er hatte ihm seine gegenwärtige Aufgabe sogar hauptsächlich deshalb zugeteilt, weil er nie etwas mit der Operationsabteilung zu tun gehabt hatte – und niemand wäre auf den Gedanken gekommen, daß ausgerechnet ein so typischer Bürostratege wie Bret die Funktion eines Führungsoffiziers einnahm –, denn um so sicherer würde Fiona in ihrer Rolle als Doppelagentin sein.
Doch waren Bret Rensselaer und Fiona Samson nicht die einzigen, die sich an eine neue Rolle gewöhnen mußten. Denn wenn Fiona nie zuvor als Agentin, Bret Rensselaer nie zuvor als Führungsoffizier eingesetzt worden waren, hatte doch andererseits auch der D.G. nie zuvor jemanden ins feindliche Gebiet schicken müssen, den er so gut kannte wie Fiona Samson. Doch für eine Änderung des Planes war es nun zu spät. Der D.G. gestattete sich, Brets optimistischen Prognosen zu trauen, da ihm eine Alternative zu dem einmal beschlossenen Plan, auch wenn er dessen Erfolgschancen pessimistisch beurteilt hätte, nicht eingefallen wäre.
Mochte dieses lang zurückliegende Abendessen bei Kessler Bret nur an eine vorübergehende schwache Stunde Fionas erinnern, war es in Fionas Gedächtnis eingebrannt wie ein Programm in einem Mikrochip. Jede demütigende Einzelheit war ihr gegenwärtig. Die Herablassung, mit der Bret Rensselaer ihren Wunsch, sich von der Operation zurückzuziehen, zur Kenntnis genommen hatte, die unverschämte Art, in der er sie so mühelos erpreßt hatte, dennoch dabeizubleiben. Die Verachtung, die er ihr bewiesen hatte, als sie ihm den Champagner ins Gesicht goß, indem er sie hatte gewähren lassen, als wäre sie das ungezogene Töchterchen eines geachteten Freundes. Und, was das Beschämendste von allem war, sie hatte genau getan, was er ihr befahl. Denn, wie so viele Demütigungen, bemaß sich auch ihre eigene am Erfolg des Gegners. Und am Ende jenes Abendessens war Brets Herrschaft absolut.
Seit dieser unseligen Konfrontation hatte sie nie wieder den Wunsch geäußert, von der ihr zugedachten Aufgabe entbunden zu werden. Nach jenen ersten qualvollen Wochen, in denen sie verzweifelt hoffte, daß Bret das Department verlassen, versetzt werden oder einen tödlichen Unfall erleiden möchte, kam ihr der Gedanke, aus ihrem Vertrag entlassen zu werden, nicht mehr in den Sinn. Was auf sie zukam, war nun unvermeidlich. Wie die meisten Frauen – und Fiona sah das von Beamtinnen der Zoll-, Einwanderungs- und Polizeibehörden ebenso wie von den Sekretärinnen in ihrem Büro unter Beweis gestellt – war Fiona gewissenhafter und sorgfaltiger als ihre männlichen Kollegen. Ihre kalte Verachtung für Bret und andere Männer seinesgleichen konnte sie am besten beweisen, indem sie ihre Arbeit sorgfältiger und geschickter machte als er seine. Sie würde also dieser verdammte »Superspion« werden, den sie haben wollten. Sie würde ihnen zeigen, wie gut frau das machen konnte. Fionas Treffen mit Martin Euan Pryce-Hughes fanden weiterhin statt, doch nun sorgte Bret dafür, daß die Leckerbissen, die sie ihm zuwerfen konnte, und ihre Antworten auf seine spezifischen Fragen besser wurden als das Spielmaterial, das sie ihm bisher geliefert hatte. Pryce-Hughes gefiel das. Fiona nahm seinen Wink mit dem Zaunpfahl auf und forderte mehr Geld. Nicht viel mehr, aber genug, um ihren Wert zu
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